Der 61-Jährige geht mit seiner Partei hart ins Gericht. Deren momentane Schwäche führt er auf die “Basta-Politik“ von Gerhard Schröder, Hartz IV und auch die Rente mit 67 zurück.

Lüneburg. Der Übervater der Sozialdemokraten hat den Schreibtisch des Lüneburger Landrats fest im Blick. Ein Gemälde von Willy Brandt an der Wand gehört wie selbstverständlich zur Ausstattung des Büros von Manfred Nahrstedt. Schließlich war es der einstige Bundeskanzler und Parteichef, der Nahrstedt so in den Bann gezogen hatte, dass er vor 40 Jahren der SPD beitrat.

"Als Kanzlerkandidat fand ich Brandt schon 1965 sehr gut. Die Attacken der CDU gegen ihn konnte ich nicht nachvollziehen", sagt Nahrstedt. Ihm als Christ widerstrebte es, dass Willy Brandt seinerzeit dessen Exiljahre in Norwegen während der Nazidiktatur zum Vorwurf gemacht wurden, er mit seinem Geburtsnamen "Herbert Frahm, der vaterlandslose Geselle" diffamiert worden sei.

Nahrstedt sagt, er habe damals für sich erkannt, dass Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Pazifismus und Leidenschaft in der SPD besser als in einer anderen Partei umgesetzt werde. "Ich bin von der Bergpredigt und nicht über Marx zur SPD gekommen", meint der Landrat, der bis zu seinem 16. Lebensjahr bei kirchlichen Organisationen wie Jungschar und CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen) aktiv gewesen ist. Und dann sei da noch der SPD-Mann Gustav Heinemann gewesen, kirchlicher Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten und erster Präsident im Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). "Der ist Sozi, dann kann ich auch Sozi werden, habe ich mir gesagt." So wirkte der Landrat bis zu seinem 18. Lebensjahr bei den Jusos (Jungsozialisten) und Falken mit und trat schließlich mit 21 Jahren der SPD bei.

Beim Blick auf die SPD in den vergangenen 40 Jahren hebt er hervor, dass sie eine diskussionsfreudige Partei sei - oder besser gewesen sei. "Das fehlt heute. Hartz IV wurde von Gerhard Schröder gegen große Widerstände in der Partei durchgedrückt. Schröder hat mit der Partei nicht einmal diskutiert." Das und die Mängel, die Nahrstedt bei Hartz IV sieht, seien seinen Worten zufolge der Knackpunkt, dass die SPD nur noch bei etwas mehr als rund 20 Prozent der Wählerstimmen herumdümpelt. Aber auch Münteferings Rente mit 67 Jahren und dass der Arbeitgeberanteil bei der Krankenversicherung bei sieben Prozent "ausgerechnet" unter SPD-Beteiligung eingefroren wurde, seien weitere Gründe für den Niedergang.

"Wir müssen diese Fehler eingestehen und sie korrigieren. Unsere Themen sind soziale Gerechtigkeit, Mindestlohn und Bildung, mit denen wir um Vertrauen werben müssen", fordert der 61-Jährige. Wähler seien nur zurück zu gewinnen, "wenn wir dem Volks wieder mehr aufs Maul schauen, dort hingehen, wo die Menschen sind."

In den Kommunen funktioniere das ganz gut, glaubt Nahrstedt. "Wir stehen nicht schlecht da, weil wir vor Ort gute Politik machen und an den Menschen dran geblieben sind." Das sei ein Hoffnungsschimmer am Horizont für die gesamte SPD. "Wer die Kommunen hat, bekommt auch das Land und dann den Bund", meint er. Allerdings werde das nicht von einem auf den anderen Tag gelingen, wieder stärkste Partei in Land und Bund zu werden. Trotzdem ist er überzeugt: "Wir werden nicht wieder so lange warten müssen wie in der Kohl-Ära." Und die dauerte aus Sicht der SPD lange 16 Jahre.