Wenn Anneliese Grützmacher von ihrem Zimmer im ersten Stock des Anna-Vogeley-Seniorenzentrums (AVS) in den Hasenburger Wald schaut, sieht sie eine verschneite Winterlandschaft.

Lüneburg. "Das ist doch ein herrlicher Anblick. Ich wollte das alles hier nicht aufgeben", sagt sie. "Ich bin so froh, dass wir hier bleiben können."

Seit elf Jahren lebt die 97-Jährige in der Wichernstraße, gemeinsam mit derzeit 98 von ehemals 187 Bewohnern. Im Herbst 2009 ist rund die Hälfte ihrer ehemaligen Mitbewohner in die Olof-Palme-Straße in Kaltenmoor umgezogen. Dort wurde auf dem Gelände der Stadtgärtnerei ein neues Wohn- und Pflegezentrum errichtet. Eigentlich sollte das AVS danach geschlossen werden.

"Aber Viele wollten nicht weg", sagt Anneliese Grützmacher. "Wir haben um diesen Standort gekämpft. Die Atmosphäre hier ist so vertraut. Mein Zimmer ist doppelt so groß wie es im neuen Heim wäre. Ich habe eine kleine Küche, die ich nutzen kann, auch wenn ich meistens in die Caféteria gehe", sagt die Seniorin, die auch Mitglied im Heimbeirat ist.

Inzwischen ist die Zukunft des AVS gesichert. "Es gibt den Aufsichtsratsbeschluss, dass das Anna-Vogeley-Seniorenzentrum in der Wichernstraße als Teil des Städtischen Klinikums bestehen bleibt. Derzeit werden keine Bewohner neu aufgenommen. Das Haus wird zu einem Seniorenzentrum mit 60 Plätzen umstrukturiert", sagt Rolf Sauer, Geschäftsführer der Gesundheitsholding Lüneburg, die auch Träger des AVS ist.

Seit September 2009 leitet Thomas König das Haus an der Wichernstraße. Das Gebäude gehört jetzt der Lüwobau und wird Stück für Stück saniert. "Ein Teil des Gebäudes soll danach anderen sozialen Zwecken zugeführt werden", sagt König.

Mit 43 Mitarbeitern, fünf Auszubildenden, zwei Zivildienstleistenden und zwei Absolventen des Freiwilligen Sozialen Jahres kümmert er sich um den Tagesablauf der Bewohner: "In der Altenpflege hat sich viel verändert", sagt er. "Senioren bleiben inzwischen so lange wie möglich Zuhause und lassen sich von ambulanten Pflegediensten betreuen. Viele von ihnen verbringen nur eine letzte, kurze Lebensphase im Heim. Daher ist die Zahl der Pflegefälle unter den Bewohnern oft sehr hoch", erklärt er. "Bei uns im AVS ist das noch anders." Hier gibt es etliche Bewohner mit "Pflegestufe Null", zu der auch Annelies Grützmacher sich zählt.

"Für viele Bewohner ist es wichtig, bekannte Gesichter unter den Pflegekräften zu haben. Für einige alte Menschen ist das der einzige soziale Kontakt, eine Art Familienersatz", sagt Günther Schmidt vom Heimbeirat. "Manche Bewohner haben kaum Besuch. Was unsere alten Menschen angeht, da pflegt unsere Gesellschaft eine Art Entsorgungsmentalität. Wenn sie nicht mehr produktiv sind, werden sie abgeschoben."

Der alte Mensch werde vielfach nur als Kostenfaktor angesehen. "Diese Betrachtungsweise müssen wir ändern. Schließlich trifft es uns alle - irgendwann", sagt Schmidt.