Während früher die Vernunftehe das Leben zwischen Mann und Frau prägte, sind es heute die Liebe und Romantik.

Lüneburg. "Das Gesamtpaket stimmt. Hier werden alle Sinne angesprochen und das ist eben sehr sexy", sagt Nicola Rouette-Lauer. Die Völkerkundlerin spricht nicht etwa von den Reizen einer Person, sondern von Lüneburg. Auf dem neuen Stadtrundgang "Sinnliches Lüneburg. Liebe und Ehe - gestern und heute" zeigt Nicola Rouette-Lauer die verführerischen Seiten der alten Salzstadt: Architektur, historisches Ambiente, eine Gewürzmanufaktur, einen Schokoladenhändler und ein Geschäft, das sich ganz der Sinnlichkeit verschrieben hat. Dazu immer wieder Stationen der Ehe und Liebe von Mann und Frau zwischen gestern und heute, die auch die Stadt geprägt haben.

Los geht die rund zweistündige, etwas andere Stadtführung am Alten Kran im Hafenviertel. In der Gewürzmanufaktur von Dagmar Heppner steigen dem Gast die anregenden Aromen von mehr als 100 Gewürzen in die Nase. "Chili ist ein sehr beliebtes Aphrodisiakum. Eine kleine Prise ins Essen reicht, um ein wohliges Gefühl zu erzeugen", sagt die 35-jährige Inhaberin - und Stadtführerin Nicola Rouette-Lauer erklärt den biologischen Hintergrund: "Die Schärfe auf der Zunge lässt den Körper Endorphine ausschütten. Das sind unsere Glückshormone." Natürlich müsse bei einem sinnlichen Essen auch der Rest stimmen. "Alle Sinne - also riechen, schmecken, hören, fühlen und sehen - müssen angesprochen werden. Deshalb spielen auch Tischdeko, Kerzenschein, der Duft von Rosen und schöne Hintergrundmusik eine ebenso wichtige Rolle."

Das eher unromantische und mehr zweckgebundene Leben zwischen Mann und Frau erläutert die Völkerkundlerin an der nächsten Station, dem "Pons" Am Stintmarkt, das älteste Brauhaus Lüneburgs. "Die verwitwete Brauersfrau musste sich Ende des 18. Jahrhunderts den Knecht zum Mann nehmen, nachdem ihr Gatte verstorben war, um den Betrieb nicht zu verlieren", so Rouette-Lauer. "Es war eine reine Zweckehe, damit der Betrieb weiter geführt werden konnte, denn die Frauen lebten im Mittelalter bis noch fast in die Mitte des 20. Jahrhunderts unter der Vormundschaft der Männer. Erst waren es die Väter, später die Ehemänner. Noch in den 60er-Jahren konnte ein Ehemann im Betrieb der Frau anrufen und ihre Stelle kündigen, ohne das sie etwas dagegen tun konnte."

Dass Frauen auch im hohen Alter und verwitwet nicht allein leben durften, davon zeugen noch die sogenannten Schwiegermütterhäuser. "Die Industrie- und Handelskammer Am Sande und das Haus des ,September' Am Stintmarkt sind solche Häuser. Im großen Teil lebte der Sohn mit Familie, im kleinen Haus nebenan die Mutter. Häufig war es die Tordurchfahrt zum Hof, die nach oben ausgebaut wurde."

Nach einem zuckersüßen, aber auch exotisch scharfen Abstecher ins Pralinenhaus Bei der Abtspferdetränke, geht es lyrisch am Heinrich-Heine-Haus weiter. "Heine hat so ziemlich alle Facetten der Liebe durchlebt und in Gedichte gefasst", so Rouette-Lauer: "Klar, dass der Dichter auf dem sinnlichen Stadtrundgang nicht fehlen darf." Doch schnell bringt die Völkerkundlerin die Teilnehmer wieder auf den mittelalterlichen Boden der Realität zurück. Denn gleich schräg gegenüber, am Niedergericht des Rathauses, wurde der Ehebruch öffentlich verhandelt: "Die Ehebrecherinnen wurden im Mittelalter so sozial gebrandmarkt," erklärt die Stadtführerin.

Um Unterwäsche - damals rein funktionell, heute auch sexy - geht es am Ende der Tour. "Am Anfang gab es für die Frauen noch gar keine Unterwäsche. Sie trugen lediglich lange Unterröcke. Später kamen Strapse und Mieder, die Strümpfe fest am Bein hielten und den Körper formten. Heute sind sie lediglich noch ein sinnliches Accessoire." In Anne Lyns Laden berät Franziska Gramsch die Frauen der Moderne zu erotisierenden Badezusätzen, duftenden Ölen und wärmenden Massagecremes. Die Zeitreise rund um Liebe, Ehe und Bräuche durch Lüneburg klingt schließlich mit einem Glas perlendem Prosecco aus.

"Sinnliches Lüneburg. Liebe und Ehe - gestern und heute" von der "Kulinarischen Reiserouten Lüneburger Heide GbR" findet an jedem dritten Freitag im Monat statt. Beginn: 17 Uhr. Preis: 22,90 Euro. Anmeldung unter Telefon: 04131/ 898 06 89. www.kulinarische-reiserouten.de