46 Häftlinge sind auf dem Friedhof in Hittbergen beerdigt. Schüler übernahmen Patenschaft für die Ruhestätte.

Hittbergen. Schnee bedeckt die 3,70 Meter breite und 18,60 Meter lange Grabfläche am Rande des kleinen Friedhofs von Hittbergen. Auf einem mannshohen Gedenkstein ist zu lesen: "Hier Ruhen Sechs Und Vierzig Unbekannte Häftlinge - Die Toten Mahnen Die Lebenden - 1945".

Ohne Schnee fällt auf, wie gepflegt die Grabanlage ist. Seit 1985 gibt es einen entsprechenden Vertrag zwischen Hauptschule und Samtgemeinde Scharnebeck. Im Einvernehmen mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge haben Schüler die Patenschaft übernommen: "Wir beseitigen Unkraut, harken Laub und füllen Pflanzenlücken auf", berichtet Zehntklässlerin Jacqueline Fischer.

Am 12. Oktober 1945 waren 46 erschossene KZ-Häftlinge auf dem Friedhof in Holzsärgen beigesetzt worden. Alle Erwachsenen der Gemeinden Echem und Hittbergen sowie die Bürgermeister der umliegenden Ortschaften mussten auf Anordnung der englischen Truppen an der Beisetzung teilnehmen. An diesem Tag war in Echem und Hittbergen vollkommene Arbeitsruhe angeordnet.

"Wenn man weiß, warum und wie die Häftlinge gestorben sind, wird einem doch ganz anders", sagt Jacquelines Klassenkamerad Martin Hagemann. Er erhält durch seine Großeltern auch sehr persönliche Einblicke in die Zeit des Dritten Reiches: "Manchmal erzählen sie davon."

Durch die Pflegetätigkeiten würden sich fast zwangsläufig Fragen zur Geschichte des Grabes ergeben, weiß Lehrerin Margrit Wartemann: "Das Schicksal der Toten interessiert die Schüler." Sie begleitet das Projekt bereits seit vielen Jahren. "Die Schüler werden einerseits an eine gemeinnützige Tätigkeit herangeführt, die gleichzeitig zu einer konkreten Auseinandersetzung mit der NS-Zeit in der näheren Umgebung führt. Das ist ein bedeutender Beitrag zur Friedenserziehung."

Laut Schulleiter Hermann Daerner gehörten die ermordeten Häftlinge zu einem Evakuierungstransport aus dem Rüstungsbetrieb KZ Mittelbau-Dora in Sangerhausen im Harz. Damit sie nicht den vom Süden anrückenden Alliierten in die Hände fallen, sollten die Häftlinge im April 1945 vermutlich nach Hamburg gebracht werden, wo sie das letzte Aufgebot zur Verteidigung der Stadt verstärken sollten.

Was sich dann genau in Hittbergen ereignete, darüber geben Aussageprotokolle vom Oktober 1945 Auskunft:

Etwa einhundert KZ-Häftlinge kommen mit ihren Bewachern aus Richtung Echem an. Unmittelbar an der Straßenkreuzung Echem-Bullendorf-Hohnstorf lagern die Sträflinge für eine kurze Rast. Dabei kommen sie mit den Anwohnern ins Gespräch und werden mit Kartoffeln versorgt. Ein SS-Mann gibt den Befehl, die Schwachen mögen zurückbleiben, die Stärkeren in Richtung Hohnstorf weiterziehen. 40 bis 50 Männer werden später zum Wäldchen "Am Busche Berg" geführt. Zuvor holen sich die Bewacher von den Anwohnern Schaufeln, mit denen die Häftlinge im Wald Schützengräben ausheben sollen. Dann kommt ein Wagen mit mehreren Personen und fährt in Richtung Wäldchen, aus dem am Abend Schüsse zu hören sind. Es ist der 16. April 1945.

Zwei Tage später sind die Engländer in Echem. Doch erst im Oktober 1945 erfahren sie vom Massengrab "Am Busche Berg".