Seinen vorzeitigen Rückzug will der Scharnebecker Hauptschulleiter Hermann Daerner auch als Protest gegen die Schulpolitik verstanden wissen.

Scharnebeck. Er gilt als Hans Dampf in allen Gassen. In der Schulszene des Landkreises Lüneburg und bis hinein in die Landesschulpolitik Hannovers ist Hermann Daerner bekannt wie ein bunter Hund; insbesondere wegen seiner Verdienste für die Hauptschule. Pünktlich zur Zeugnisausgabe am kommenden Freitag nimmt der gebürtige Westfale und dienstälteste Schulleiter des Landkreises Lüneburg aber jetzt vorzeitig Abschied.

Im Januar 1984 bezog er seinerzeit als dienstjüngster Rektor das Büro in der Hauptschule Scharnebeck. Seinen Rückzug hat der agile Hauptschullehrer mit Lehrbefähigung für die Realschule von langer Hand geplant. Ein Leben lang kämpfte er für seine Schüler und für die Aufwertung der Hauptschule. In seiner ihm eigenen klaren Sprache formuliert er für alle verständlich: "Schwache dürfen nicht zu kurz kommen und deshalb gehört mein Herz der Hauptschule."

Als vor einigen Jahren klar war, dass aufgrund sinkender Schülerzahlen die Hauptschule in Scharnebeck Opfer einer Zusammenlegung mit der Realschule werden würde, entschied er sich aus Protest für seinen vorgezogenen Rückzug. Die Art der Politik des Landkreises Lüneburg als Schulträger zum Nachteil der Hauptschule wollte der Vollblut-Pädagoge nicht mittragen.

Seine Laufbahn als Lehrer startete der 1947 im westfälischen Hamm geborenen Hermann Daerner an der Pädagogischen Hochschule Lüneburg. Im Anschluss unterrichtete er eineinhalb Jahre in der Förderschule. Die Verbeamtung des jungen Mannes erfolgte im Alter von 27 Jahren als Lehrer der Grund- und Hauptschule Lüne. In Vorbereitung auf größere Leitungsaufgaben übte er sich in der Position des zweiten und schließlich ersten Konrektors. Zehn Jahre später leitete er die Hauptschule am Schiffshebewerk.

Zu den Schulleitern, die sich gerne einen intellektuellen Gestus geben, zählt Daerner nicht. Die handfeste Tat zum Wohle seiner Schüler ist ihm die liebste. Schon als Jugendlicher zog es ihn zum Geldverdienen in die örtlichen Handwerks- und Baubetriebe in Scharnebeck. Später schuftete er in der Kronen-Brauerei und der Lüneburger Wachswerke AG. "Dort habe ich die einfachen Fabrikarbeiter kennengelernt." Die Männer und Frauen, deren Kinder er später unterrichten sollte. Sein Herz schlägt seit jeher für Menschen, die das Leben weniger reich beschenkt hat.

Die gute Schule lag ihm stets am Herzen. Für sie trat er ein, verbrannte sich hin und wieder die Finger dabei, kritisierte die praxisfremde Ausbildung der Pädagogen im universitären Elfenbeinturm: "Ich habe immer gemeckert und zehn Jahre neben meinem Lehrerberuf als Prüfer an der Lüneburger Uni gearbeitet." Als seine Praxis-Affinität den Gelehrten zuviel wurde, verließ Daerner den Campus. "Leider hat sich bis heute an der schulfernen Ausbildung der Lehrer nichts geändert", bedauert der Mann der Tat.

Lebensnah wie nur wenige Pädagogen gestaltete Daerner die Scharnebecker Hauptschule. Neben der vielfach ausgezeichneten Arbeit im Bereich der Berufsorientierung hat er die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in die Welt der Schüler getragen. Damit wollte er junge Menschen an die Gräber der Opfer von Krieg und Gewalt führen und sie für deren Folgen sensibilisieren.

Ein Pferdefuß bleibe weiterhin die von ihm kritisierte praxisferne Lehrerausbildung sowie die Reformflut, die gute Ansätze immer wieder hinwegspülen würde. Was die Arbeit mit ausländischen Schülern betrifft, so fordert der Schulleiter: "Integration kann nur über gemeinsame Sprache erfolgreich gelingen. Und das fehlt uns."

Bei den Kollegen im Landkreis verabschiedet er sich mit dem schlichten Spruch: "Ich bin dann mal weg." So eben mal weg ist Hermann Daerner aber noch lange nicht. Erhalten bleibt er den Schülern, die sich im Porsche-Projekt für die Berufswelt qualifizieren. Im neuen Programm der Ganztagsschule bietet er weiterhin die AG Schmieden an: "Bis das Eisen Funken sprüht."

Mit Hermann Daerner verlässt ein außergewöhnlicher Lehrer die pädagogische Bühne. Sie hat ihm viel zu verdanken.