Gewalt gehört in der Psychiatrie zum Tagesgeschäft. Damit Situationen seltener eskalieren und es zu weniger Verletzungen, generell zu weniger Fällen von Gewalt kommt, erlernen die 850 Mitarbeiter der Psychiatrischen Klinik Lüneburg innerhalb der kommenden zwei Jahre eine Präventionsmethode zur Deeskalation.

Lüneburg. Die Weiterbildung lässt sich das Haus insgesamt mehr als 100 000 Euro kosten.

Wenn Pfleger und Ärzte nach Ausbildung und Studium in die Psychiatrie kommen, wissen sie nicht, was sie dort erwartet. Das macht der Ärztliche Direktor Dr. Sebastian Stierl deutlich. "Fünf bis zehn Prozent der Aufnahmen sind mit einem aggressiven Verhalten verbunden", sagt Stierl. Was aus Aggressionen und Provokationen eines Patienten wird, hängt entscheidend von der Reaktion des Klinik-Mitarbeiters ab.

"Früher haben wir gelernt, den Blick des Gegenübers zu fixieren", berichtet Stierl aus seiner Ausbildungszeit. "Das ist quasi ein Garantieschein für eine Prügelei." Die Hände zu heben als Zeichen nicht anzugreifen und lieber mit dem Blick einmal auszuweichen, sei sinnvoller.

Müssen sich Mitarbeiter verteidigen, empfiehlt der Übungsleiter Wolfgang Papenberg drei grundsätzliche Unterschiede zu üblichen Polizei-Griffen an Schmerzpunkten: Körpergewicht statt Kraft einsetzen, Hebel statt Schläge oder Tritte und den Überraschungseffekt nutzen.

Doch das sogenannte PART-Programm des Amerikaners Nick Smiar, der zurzeit ebenfalls in Lüneburg weilt, setzt noch viel früher an: "Es geht um eine andere Haltung", erklärt Dr. Alexander Naumann, der in der Kinder- und Jugendpsychiatrie das Programm bereits erfolgreich eingeführt hat. Und die Vermeidung von Eskalationen, indem Mitarbeiter schon bei der ersten Provokation cool reagieren und sich nicht anstecken lassen - dabei aber auch nicht allein sind, sondern im Team mit der Situation umgehen. Bei den Kindern und Jugendlichen zeigt das Programm bereits Erfolg: Von 80 Fixierungen im Jahr 2006 musste diese extremste Zwangsmaßnahme 2009 nur noch zehnmal angewendet werden.