Eintritt zahlen gehört zum guten Ton. Strom und damit elektrisches Licht aber nicht, Taschenlampen sind geduldet.

Lüneburg. Es mag eine Mutmaßung sein, aber ein bisschen Spekulation ist an dieser Stelle erlaubt: Helga Reimann aus Irland war an diesem Wochenende die Frau mit der weitesten Anreise zum historischen Christmarkt rund um St. Michaelis. Ihre Mission in Lüneburg: eine Frau für Hans Huckebein finden, und in dem Café einen Kaffee trinken, das sie sonst immer nur im Fernsehen sieht - montags bis freitags ab 13.10 Uhr.

Hans Huckebein hat die 63-Jährige voriges Jahr auf dem Lüneburger Weihnachtsmarkt gekauft. Der Metallrabe sitzt auf einer Stange bei ihr in Cootehill im Garten. "Die Verkäuferin nannte ihn Hans, da haben wir ihn Hans Huckebein getauft", erzählt Helga Reimann. "Wir", das sind sie selbst, Bärbel Schmidt (62) und noch eine Helga Reimann. Die ist zehn Jahre älter als die erste Helga Reimann und ihre Schwägerin.

Zu dritt waren die Frauen voriges Jahr zum ersten Mal gemeinsam auf dem Renaissance-Weihnachtsmarkt in der westlichen Altstadt. "Den fand ich so toll, dass ich dieses Jahr unbedingt wiederkommen wollte", sagt Helga Reimann - die Helga Reimann aus Irland. Dorthin ist sie vor knapp 16 Jahren mit ihrem Mann ausgewandert. Auf der Insel gibt es überhaupt keine Weihnachtsmärkte, auch keine beleuchteten Fenster und geschmückten Giebel, berichtet sie: "Weihnachten wird in Irland eher so gefeiert wie wir Karneval feiern, es ist alles sehr laut - hier gefällt es mir besser."

Der Dauernieselregen am Wochenende freilich konnte der Wahl-Irin überhaupt nichts ausmachen - da ist die 63-Jährige ganz andere Niederschlagsmengen gewohnt.

Einmal im Jahr trifft sich das Trio bei Bärbel Schmidt in Lüneburg, einer Cousine um zwei Ecken der namensgleichen Schwägerinnen. Die Älteste aus dem Trio, Helga Reimann aus Dormagen, ist bei Uelzen aufgewachsen: "Lüneburg ist meine zweite Heimat", sagt sie, so sehr liegt ihr die Stadt am Herzen.

Und die irische Helga Reimann sieht Lüneburg (fast) jeden Tag auf dem Bildschirm: Immer ab 13.10 Uhr in der ARD. Denn die "Roten Rosen" laufen in Irland wegen der Zeitverschiebung eine Stunde früher als in Deutschland. Heute wollen die Damen ihren Nachmittagskaffee standesgemäß im "Bergström" trinken, dem "Hotel Drei Könige" aus der Fernsehserie.

Und wenn es diese Woche mal ein bisschen weniger regnet als am Wochenende, haben bestimmt auch die nicht-irischen Teile des Trios Lust, auf dem Weihnachtsmarkt vorm Lüneburger Rathaus nach einer Frau zu suchen für Hans Huckebein, den Metallraben. Denn Metallrabenfrauen gab's beim historischen Christmarkt nicht - dafür aber leckeren Würzwein, im Kessel über glühenden Kohlen erhitzt.

Strom ist auf dem Altstadtmarkt verpönt, in der Renaissance steckten schließlich auch noch keine Glühbirnen in den Leuchtern. Und in diese Zeit wollen die Veranstalter die Besucher zurückführen. Ein bisschen Schummeln aber ist erlaubt - mit kleinen Taschenlampen bei der Suche nach den passenden Münzen für Bratwurst und Brot, und mit rotem Lippenstift auf grauem Pferdefell: Einfacher lässt sich das Angebot "Ponyreiten" nun mal nicht kommunizieren.

Rund 10 000 Besucher kommen jedes Jahr in die Altstadt, um das Flair des von den Mitgliedern des Arbeitskreises Lüneburger Altstadt (ALA) ehrenamtlich organisierten Weihnachtsmarkts zu erleben - und sich beim Basar in St. Michaelis aufzuwärmen.

Wer sich ohne Spende an den Stadtwachen am Eingang vorbeidrückt, wird beschimpft: "Schande über Dich!" Denn von den Einnahmen aus Eintritt (rund 10 000 bis 14 000 Euro) und Bratwurstverkäufen (rund 6000 Euro) finanziert der Verein Denkmalschutz-Projekte.

Das nächste geplante ist die Sanierung des alten Brunnenhauses von 1830 beim Deutschen Salzmuseum. "Das besteht aus Holz und muss dringend restauriert werden", sagt Christian Burgdorff (64), zweiter Vorsitzender des ALA.

Wie gut, dass Helga Reimann aus Irland am Wochenende nicht die einzige Regen-Unempfindliche war: Die schmalen Gassen rund um die Kirche waren wie gewohnt gefüllt - und für die weit gereiste ist auch klar: "Natürlich spenden wir. Dass hier alles ehrenamtlich organisiert und davon auch noch die Altstadt erhalten wird, muss doch jeder unterstützen."