Bei Familie Küster spielt sich das Leben an Bord ab. Die Kinder gehen auf ein Internat und fahren in den Ferien mit.

Scharnebeck. An seinem Arbeitsplatz gibt es längst kein Steuerrad mehr, gelenkt wird mit dem Joystick oder per Autopilot, und im Blickfeld von Carsten Küster (37) herrscht die Elektronik. Der Binnenschiffer aus Berlin verbringt die Nacht am Liegeplatz vor dem Schiffshebewerk Scharnebeck. An Bord seiner MS "Zenit" befindet sich eine Ladung Weizen für die Niederlande.

Als er am frühen Abend auf dem Elbe-Seitenkanal Scharnebeck erreicht, warten acht Schiffe vor ihm auf die Passage im "Schiffsfahrstuhl". Nun heißt es Geduld haben - bis zu zehn und mehr Stunden Wartezeit sind am Schiffshebewerk normal.

1500 Tonnen Ladung kann die MS "Zenit" transportieren, ob Kohle, Maschinenteile, Flügel für Windenergieanlagen oder ganze Lokomotiven. Leeuwarden in den Niederlanden ist diesmal das Ziel, eine Woche dauert die Fahrt von Hamburg bis dorthin. Bei einer vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von zehn Stundenkilometern auf den Kanälen ist das eine beschauliche Fahrt.

Dass von Schifferromantik trotzdem keine Rede sein kann, liegt am harten Wettbewerb. Kollegen mit kaum verkehrssicheren Schiffen drückten die Frachtraten nach unten und verursachten "brenzlige Situationen", sagt Küster. Die "billig fahrende Konkurrenz" sorge durch Maschinen- oder Ruderausfälle für Begegnungen der gefährlichen Art und könne dann ihre Termine nicht einhalten. Küster registriert aber, dass inzwischen immer mehr Kunden bereit seien, für zuverlässige und pünktliche Lieferung auch mehr Geld zu bezahlen.

Die 85 Meter lange MS "Zenit" wurde 1963 in den Niederlanden gebaut und ist seit drei Jahren im Besitz von Familie Küster. Sein Alter sieht man dem Schiff nicht an - viel Elektronik im Steuerhaus und eine 950 PS starke Mitsubishi-Maschine stehen für moderne Technik, auch die Einrichtung der 80 Quadratmeter großen Wohnung unter Deck präsentiert sich zeitgemäß. Schließlich spielt sich das ganze Leben von Carsten Küster und Ehefrau Stefanie (34) an Bord ab. Die beiden Kinder Emilie (acht) und Eric (sechs) gehen in St. Peter-Ording aufs Internat, jedes zweite Wochenende und in den Schulferien sind sie bei ihren Eltern. Mit an Bord sind Badezimmer, Küche, Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer, das eigene Auto, ein Motorrad, ein Kinderspielplatz, Mischlingshund Jupp und sogar eine Modelleisenbahn.

Viele Beziehungen litten unter dem Alltag auf dem Schiff, sagt Carsten Küster - dass es bei ihm und Stefanie klappt, liegt auch mit daran, dass beide dieses Leben von Kindheit an kennen: Carsten gehört in der achten, Stefanie in der siebten Generation einer Binnenschifferfamilie an.