Falsch verstandene Fürsorge: Familie sammelte wahllos Nager, Vögel und Katzen - bis die Beamten des Veterinäramtes zu ihr kamen.

Lüneburg. Es war ein erschreckendes Bild, das sich den Mitarbeitern des Veterinäramtes und des Lüneburger Tierheims bot: Aus einem Einfamilienhaus retteten die Beamten insgesamt 360 Vögel, neun Fische, 162 Ratten und Mäuse, 25 Kaninchen und sechs Katzen. Rund 100 Kadaver fanden die Tierschützer in einer Tiefkühltruhe.

"Das Haus war vom Keller bis zum Dach mit Tieren vollgestopft", sagt Jan Pleß, Erster Vorsitzende des Lüneburger Tierschutzvereins. Längst häufen sich Fälle wie dieser. "Animal Hording", zu deutsch Tierhorten, nennen Experten das krankhafte Sammeln von Tieren. Nach dem jüngsten Fund hat sich auch die Leiterin des Tierheims, Selina Martens, mit dem Phänomen auseinandergesetzt. Sie sagt: "Die Menschen meinen es im Grunde gut, doch irgendwann wächst ihnen alles über den Kopf." Tragisch sei, dass die Tierhalter das Problem leugnen. Deshalb sei es wichtig, aufmerksam zu sein. Denn die Tiere leiden. Martens: "Alle sind von Parasiten befallen oder leiden unter Atemwegserkrankungen. Einige haben den Transport zu uns gar nicht erst überlebt."

Es sei nicht das erste Mal, dass die Familie wegen nicht artgerechter Haltung aufgefallen ist, sagt Landkreis Pressesprecherin Christina Schreiber: "Im Jahr 2006 wurde einem der Bewohner ein Tierhaltungsverbot für Nutzgeflügel auferlegt." Viel brachte das allerdings nicht. Denn das Gericht gestattete dem ebenfalls im Haus lebenden Sohn des Mannes, einen Teil der Tiere zu übernehmen. Seither habe das Veterinäramt das Grundstück der Tierhalter regelmäßig überprüft. Immer wieder wies die Behörde die Familie an, für eine artgerechte Haltung zu sorgen. Am 19. Oktober entdeckten die Beamten dann das ganze traurige Ausmaß des Falles.

Jan Pleß schildert: "Wir waren überrascht, wie viele Tiere es tatsächlich waren." Die meisten von Ihnen werden nun im Lüneburger Tierheim versorgt.

Rund 400 Euro kostet die Unterbringung der Tiere laut Christina Schreiber, Tierarztkosten exklusive. Zunächst springt dafür das Veterinäramt ein. Schreiber: "Aber wir werden uns das Geld vom Halter zurück erstatten lassen." Gegen die Familie läuft eine Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Für Selina Martens stellt sich derweil ein ganz anderes Problem: "Wir müssen auf eine Gerichtsentscheidung warten, bis wir die Tiere neu vermitteln können."