Brillen, Nasentropfen und Steppenschildkröten aus Kasachstan gab es in rauen Mengen, an praktisch jeder Ecke in der Sowjetunion.

Das behauptet zumindest Wladimir Kaminer in seinem mittlerweile vierzehnten Buch "Es gab keinen Sex im Sozialismus". In dem bei Goldmann erschienenen Band sind vor allem Geschichten versammelt, die versuchen, Licht ins Dunkel der Geheimnisse des Sowjetalltags zu bringen und die Kaminer bisher noch nicht preisgegeben hat.

Es wird zum Beispiel schlüssig dargelegt, warum die (im Westen eher belächelte) Casting-Band "Boney M." auch heute noch im hintersten Winkel Sibiriens heiß geliebt wird. Aber auch eine beinahe philosophisch anmutende Episode, über den Zusammenhang zwischen Schnurrbärten und Diktaturen, bietet der in Moskau aufgewachsene Autor.

Kaminers Beobachtungen sind locker bis witzig aufgeschrieben. Der Mann, der ganz Europa mit seiner Russendisko auf die Tanzfläche lockt, hat ein Thema, das er kenntnisreich ausschöpft. Auch Talent hat er, keine Frage. Darüber hinaus hilft ihm ein sehr gutes Gedächtnis, denn seit beinahe 20 Jahren lebt der Autor mit seiner Familie in Berlin.

Wladimir Kaminer: Es gab keinen Sex im Sozialismus. Goldmann Verlag, Taschenbuch, 240 Seiten, 8,95 Euro.