HWW, die Wasserwerke in Hamburg, wollen die Fördermenge erhöhen. Gustav Sellhorn macht sich Sorgen um das Grundwasser in der Heide.

Lüneburg. Gustav Sellhorn macht sich Sorgen um das Grundwasser in der Heide. In der Schmalen Aue ist der Wasserstand in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Wo früher Erlen im Wasser standen, ragen jetzt wie zum Beweis die Wurzelknollen der alten Bäume in die Luft.

Anlass für Sellhorns Sorge ist der neue Antrag der Hamburger Wasserwerke (HWW). Er sieht eine Erhöhung der bisherigen Wasserfördermenge im Kraftwerk Nordheide von 15,7 auf 16,6 Millionen Kubikmeter im Jahr vor. Der Wasserversorger begründet die Steigerung mit einer Prognose über den Bedarf in Hamburg. Umweltschützer und Landwirte warnen dagegen vor einer drohenden Austrocknung der Heide. Gerhard Schierhorn von der Interessengemeinschaft Grundwasserschutz Nordheide (IGN) bezweifelt, dass mehr Wasser in Hamburg benötigt wird als bisher und verweist auf die gesunkene Liefermenge in den vergangenen Jahren.

Hinter den Zahlen des neuen Antrags vermutet er ganz andere Beweggründe. "Die HWW will ihre Position in Norddeutschland stärken und das Wasser aus der Heide nach Lübeck verkaufen." Die Heidebewohner müssten dann die Folgen dieser Politik ausbaden.

Die Auseinandersetzung um das Wasser aus der Heide reicht mehr als 30 Jahre zurück. Als die wachsende Elbmetropole ihren Bedarf an Trinkwasser nicht mehr aus eigenen Speichern decken konnte, wurde die dünn besiedelte Heide vor den Toren Hamburgs mit ihren großen Grundwasserreservoirs attraktiv. Kurz nach Baubeginn für das Wasserkraftwerk Nordheide beobachteten viele Bürger im Fördergebiet sinkende Grundwasserspiegel: Zahlreiche Teiche und Feuchtgebiete fielen trocken und an einigen Gebäuden bildeten sich Risse im Mauerwerk, weil die Fundamente absackten.

Im Rahmen des neuen Vertrages seien solche Schäden nicht zu erwarten, sagt Carsten Roth, Sprecher von Hamburg Wasser, Dachgesellschaft der HWW und Stadtentwässerung: "Wir haben umfangreiche Untersuchungen und Gutachten in Auftrag gegeben, die alle zu dem Schluss kommen, dass die Wasserentnahme keinen nachhaltigen Einfluss auf den Zustand der Landschaft sowie der Tier- und Pflanzenwelt hat."

Gustav Sellhorn wohnt fast in Sichtweite zu einem HWW-Brunnen. Nur drei Kilometer von seinem Hof entfernt, saugt eine gigantische Pumpe Grundwasser aus mehr als 200 Meter Tiefe. Der 76-Jährige, der als einer der wenigen im Kernland der Heide ausschließlich von der Landwirtschaft lebt, beobachtet seit Jahren, dass mehr Wasser entnommener wird, als auf natürlichem Weg in den Boden zurück gelangt. Aus diesem Grund wendet sich der Schätzendorfer vehement gegen die Vertragslaufzeit von drei Jahrzehnten. "Auch uns in der Heide trifft der Klimawandel. Die Sommer werden heißer und es regnet seltener. Die Heide fällt langsam trocken."

Endgültig über den Antrag entscheiden muss der Landkreis Harburg. Dreh- und Angelpunkt in den Beratungen wird die Bedarfsprognose des Wasserversorgers sein, ist sich der Sprecher des Kreises, Georg Krümpelmann, sicher. "Es geht nicht darum, Hamburg das Wasser abzudrehen", stellt der Kreissprecher klar. Vielmehr verfahre der Landkreis im Abwägungsverfahren nach der Devise: so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Aufgrund des hohen Interesses in der Region wurde kürzlich die Frist, in der jeder den Vertragsentwurf einsehen kann, bis zum 11. Januar 2010 verlängert. Bis zum 25. Januar können Bürger schriftlich Ihre Bedenken äußern. Und Gustav Sellhorn will dabei sein.