Schuld sind Pestizide: Weil die Insekten auf dem Land nicht mehr genug Nahrung finden, entdecken sie Lüneburg als Flugfeld.

Lüneburg. Ihr erster Sommer in der Stadt ist für die Bienen offenbar ein Erfolg gewesen. Als Imkerin Marina Kliewer aus Mechtersen (Landkreis Lüneburg) an diesem Oktobernachmittag den Stock ihrer Bienen öffnet, ist sie zufrieden: "Die Tiere haben reichlich Pollen gesammelt - die Futtervorräte sind eine gute Grundlage für den Winter."

Zum ersten Mal hat Marina Kliewer eines ihrer Völker in die Stadt gebracht, damit die Tiere dort im Sommer Nahrung suchen können: "Auf dem Land reicht das Angebot an Pollen und Nektar einfach nicht aus. Nach der Rapsblüte beginnen die Bienen zu hungern - ich muss zufüttern, damit sie überleben", sagt Kliewer.

In der industriellen Landwirtschaft mit ihren Monokulturen finden die Honigsammler nicht mehr genug Futter: "Die Bienen brauchen eine hochwertige, abwechselungsreiche Nahrung. Bekommen sie die nicht, verkümmern ihre Futterdrüsen, sie werden anfällig für Krankheiten. Die Vitalität der Tiere leidet", erklärt die Imkerin. "Eine Ursache für das Bienensterben sind Ernährungsmängel."

Martina Kliewer hat deshalb ihre Tiere im Mai diesen Jahres in die Stadt gebracht: In einem Garten unweit der Lindenstraße haben die Tiere ein neues Zuhause gefunden. Auch Berufsimkerin Silke Helms aus Embsen (Landkreis Lüneburg), Inhaberin der Imkerei "Die Bienenkönigin", ist schon in die Stadt gezogen: "Rund zwanzig Völker habe ich in der Stadt Lüneburg oder in stadtnahen Gebieten verteilt", sagt sie. "Man muss sich den Platz für die Tiere sehr genau anschauen, der Futtermangel ist ein echtes Problem."

Sie ist froh darüber, dass in der Stadt viele Hobbygärtner auf Pestizide verzichten: "Das tut den Bienen gut. Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr Wildkräuter und Wildblumenwiesen entstehen - für Insekten ist das ideal."

Viele Balkonblumen wie Geranien und Fuchsien bieten kein Futter für die Bienen: "Blumen, die nicht duften oder die mit Blütenblättern gefüllt sind, haben oft keine Staubbeutel und produzieren keine Pollen und keinen Nektar. Obstbäume dagegen sind für die Tiere interessant."

Wer den Bienen helfen möchte, sollte auf Artenvielfalt im eigenen Garten und auf dem Balkon achten: "Es ist gut, wenn auch im Frühjahr und im Herbst etwas blüht. Wilder Wein, Haselnüsse und Weiden sind günstig", sagt Helms. "Man muss ja nicht auf alles verzichten, was man gewohnt ist. Ein kleiner Beitrag im Garten würde den Tieren auch schon helfen." Immerhin legen die Bienen bis zu fünf Kilometer zurück, um an Nahrung zu kommen.

Der erste Sommer im Stadtasyl ist den Bienen von Marina Kliewer jedenfalls gut bekommen - die neuen Bewohner bleiben vorerst in Lüneburg. Auf Dauer wird das Problem der Nahrungsarmut so aber nicht zu lösen sein. Nicht alle Bienen werden in Zukunft in der Stadt gehalten werden können. Für die Imker bedeutet das lange Wege - denn auch auf dem Land werden die Tiere gebraucht. Ohne ihre Bestäubungsarbeit würden bestimmte Obstsorten von den Tischen verschwinden: "Kirschbäume sind zum Beispiel auf Bienen angewiesen, wenn sie Früchte tragen sollen", sagt Kliewer. "Wir müssen mit den Landwirten neue Wege für eine bienenfreundliche Umgebung finden."

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