Das war der größte Einsatz für die Retter seit Jahren. Die simulierte Explosion rief rund 500 Helfer auf den Plan.

Lüneburg. Es beginnt mit einem Notalarm bei der Ortswehr Embsen: Am Sonnabend um 10.15 Uhr rücken neun Brandhelfer zum Industriegebiet Lüneburg Süd zwischen Embsen und Melbeck aus. Die Brandmeldeanlage des Flüssiggasumschlaglagers der Firma Transgas hat Alarm ausgelöst. Vor Ort brennt ein Lkw und droht zu explodieren.

Doch das gesamte Ausmaß erschließt sich den Feuerwehrmännern und -frauen erst nach und nach, denn schon kommen weitere Notrufe über Funk: Ein Waggon mit Flüssiggas ist auf dem Betriebsgelände der Ost Hannoverschen Eisenbahn (OHE) entgleist und hat eine rund einen Kilometer weit reichende Explosion, eine so genannte BLEVE, ausgelöst. Die Flammen gehen auf eine Halle mit Kunstdünger über, bedrohen eine Spedition mit Gefahrgütern und reißen einen Personenzug von den Gleisen. Es gibt mehrere Verletzte und sogar Tote.

Dass es sich bei dem gesamten Szenario lediglich um eine groß angelegte und von langer Hand geplante Übung der Feuerwehr handelt, erfahren viele Rettungskräfte erst vor Ort. "Es galt absolute Geheimhaltung über den Großeinsatz, weil wir so realistisch wie möglich den Katastrophenplan durchspielen wollten", so Volker Petersen (43), Übungsleiter und Brandmeister der Ortsfeuerwehr Deutsch Evern.

So alarmiert die Ortsfeuerwehr Embsen das DRK Lüneburg und fordert Rettungssanitäter an, denn aus der Werkshalle auf dem Gelände von Transgas quillt dicker Rauch und ein Arbeiter wird vermisst. Mit schweren Atemschutzanzügen retten zwei Brandschützer den bewusstlosen Mann aus der Halle. Der Brandherd war hier eine entzündete Gasflasche.

Der Mann ist blau und eine Übungspuppe ohne Gesicht, dennoch ziehen die Helfer das komplette Rettungsprogramm durch: Jean-Robert Sievers, ehrenamtlicher Rettungssanitäter von der "Schnellen Einsatzgruppe" des DRK Lüneburg, leistet mit seinem Kollegen Daniel Torney Erste Hilfe, legt einen Zugang mit Kochsalzlösung, wickelt den Verletzten in eine Wärmedecke und bereitet ihn für den Abtransport ins Städtische Klinikum vor.

Etwas Abseits stehen Michael Kropp und Gerhard Sievers, Hauptkommissare der Bundespolizei. "Wir haben den Notruf gehört und sind gleich los, um zu sehen, ob wir helfen können", sagt Kropp. Dass es sich um eine Übung handelte, wussten die Beamten nicht. "Wir sind hier eigentlich nicht zuständig, denn die angrenzenden Gleise gehören der OHE und nicht zur Deutschen Bahn. Aber bei uns gehört es zum guten Brauch, sich gegenseitig zu helfen, also sind wir hergefahren." Später werden sie doch noch gebraucht und fordern ihren Helikopter an, der das gesamte Ausmaß der Katastrophe aus der Luft aufklären wird.

In der Lagerhalle für Kunstdünger ist durch herumfliegende und brennende Trümmer ein Feuer ausgebrochen. Hier löschen die Männer und Frauen der Feuerwache Lüneburg Süd. Nebenan bei der Spedition Frese sind die Kollegen der Kreisfeuerwehrbereitschaft II des Landkreises im Einsatz: Mit 30 Helfern aus dem ABC- und Gefahrgutzug sichern sie einen Leck geschlagenen Lkw, der giftige Chemikalien verliert.

Vor Ort macht sich auch Landrat Manfred Nahrstedt mit Kreisrätin Monika Scherf ein Bild von der Lage. Später verfolgen sie die gesamte Übung von der technischen Einsatzleitung in Scharnebeck, wo alle Fäden zusammenlaufen.

An den Gleisen der OHE ist der zweite große Übungsschwerpunkt: Hier ist der Güterwagen explodiert und mit einem Personenwaggon kollidiert. Die Rettungsmannschaften der Feuerwehr Gellersen, des ASB und DRK, der Sanitätsdienst der Bundeswehr und das THW sind im Einsatz, die Verletzen zu retten und die Toten zu bergen. "50 Leute von der DLRG und von den Reservisten der Bundeswehr haben hier für uns als Statisten gearbeitet", so Volker Petersen.

Insgesamt ist der Übungsleiter am Ende der simulierten Katastrophe mit der Arbeit aller Beteiligten zufrieden. "Das Zusammenspiel der einzelnen Organisationen hat hervorragend geklappt", so Petersen, schränkt aber ein, dass die Teams dennoch schnell an ihre Grenzen gestoßen seien. "Wir hätten sehr viel mehr Rettungskräfte anfordern müssen und am Aufbau unserer Führungsstruktur vor Ort müssen wir noch arbeiten."