Anna Katharina Hahns Erstlingswerk “Kürzere Tage“ ist definitiv ein Roman, der mit Klischees spielt - und dabei auf gelungene Art und Weise das schwäbische Wohlstandsgefälle aufzeigt.

Da sind Leonie und Judith, zwei gut situierte Junge Frauen in den Dreißigern, die sich in ihrem eigenen Leben nicht wirklich zurechtfinden. Unzufriedenheit mit der Familie, dem Job, Angst vor dem Älter werden und eine unglückliche Romanze prägen das Leben der beiden Frauen. Und nur durch eine Straße von ihnen getrennt gibt es da eine ganz andere soziale Realität. Da ist die grausame Welt von Marco und seiner Mutter, mit einem prügelnden Stiefvater und wechselnden, immer falschen Lebensabschnittsgefährten.

Mit viel Feingefühl konstruiert die Autorin die Charaktere. Dabei bedient sich Hahn immer wieder klassischen Stereotypen und skizziert mit scharfen Blick unsere Gesellschaft. Geschichten, wie sie das Leben schreibt, dazu eine saftige Prise Sozialkritik und ein exzellenter Erzählstil - insgesamt ein Buch, das sich bestens für gemütliche Leseabende auf dem Sofa eignet. Nachdenklich, fesselnd und mit einer herausragenden Sprache.

Anna Katherina Hahn: Kürzere Tage. Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2009. 223 Seiten, 19,80 Euro.