Beeindruckend ist die Stadttour durch die Schilderung der Einzelschicksale.

Lüneburg. Juden, Geisteskranke, Menschen mit Behinderungen, politische Gegner, Homosexuelle - sie alle zählen zu den Opfern der Nationalsozialistischen (NS) Gewaltherrschaft. Wie viele Menschen aus Lüneburg vertrieben, verfolgt und ermordet wurden, ist nicht genau bekannt. An ihr tragisches Schicksal erinnert seit 1990 eine Gedenkstätte nahe der Kreuzung Lindenstraße/Barckhausenstraße. Die erste Station des Stadtrundgangs "Lüneburg unter dem Hakenkreuz".

Der Student Benjamin Vogt leitet die von der Geschichtswerkstatt Lüneburg ausgearbeitete Route.

Er beschreibt: "Der Weg führt von der Gedenkstätte, vorbei an drei Stolpersteinen in der Haagestraße, zum Kalandhaus und dann durch die Schießgrabenstraße. Dort steht die ehemalige Residenz von Otto Telschow, dem damaligen Gauleiter. Weiter geht es dann zum früheren Standort der Synagoge, zu den Stolpersteinen am Schuhhaus Schnabel und über den Marktplatz durch die Bäckerstraße zum Sande, wo wir den Rundgang beenden." 90 Minuten dauert der Rundgang.

Und auf dem Weg durch die schöne Salzstadt sorgt der 21-Jährige trotz wärmender Herbstsonne mit persönlichen Schilderungen der Opfer für Kälteschauer. Zum Beispiel mit der tragischen Geschichte von Lucie Behr-Baden und ihrem Ehemann Sally Baden: "Beide wollten am 5. September 1939 nach Palästina ausreisen. Zwei Tage zuvor brach dann der Krieg aus. Ihr Plan scheiterte. Lucie Behr-Baden und Sally Baden wurden im KZ ermordet." Dass die Stolpersteine gestohlen wurden, die zur Erinnerung an das Schicksal des Ehepaares in den Bürgersteig eingelassen wurden, mache deutlich, wie wichtig die Aufklärungsarbeit der Geschichtswerkstatt auch heute ist.

"Ich glaube wir müssen uns auf jeden Fall immer wieder an diese Zeit erinnern, damit sich die Geschichte nicht wiederholen kann", sagt Benjamin Vogt. Trotzdem kann er dem Diebstahl auch etwas Positives abgewinnen: "Das hat eine große Welle der Entrüstung, gefolgt von einer hohen Aktivität verursacht. Viele Paten haben sich gemeldet, Spenden sind eingegangen." Benjamin Vogt geht es vor allem darum, die Schrecken der Gewaltherrschaft zu verdeutlichen. Der 21-Jährige berichtet von Verwüstungen während der Reichspogromnacht im jüdischen Kaufhaus "Gubi" am Markt, von 160 Zwangsarbeitern, die im Kalandhaus auf engstem Raum zusammengepfercht untergebracht waren und von Verfolgten, die eingeschlossenen in Zugwaggons bei einem Bombenangriff einen qualvollen Tod starben.

Wer sich mit Benjamin Vogt auf die Spuren des Dritten Reiches in Lüneburg begeben will, hat dazu am Sonntag, 4. Oktober, wieder die Gelegenheit. Um 11 Uhr startet die nächste Führung vor der Geschichtswerkstatt, Heiligengeiststraße 28. Die Teilnahme kostet 5/2,50 Euro. Anmeldungen unter 04131/401936.