Mit 60 Arbeitsstunden in der Woche begann Diplomphysiker André Kriner seine Laufbahn am Gymnasium.

Scharnebeck. Lehrer im Zweitberuf? André Kriner hat sich im zweiten Anlauf für den Lehrerberuf entschieden. Seit einem Jahr unterrichtet der Quereinsteiger die Fächer Mathe, Physik und Informatik am Scharnebecker Bernhard-Riemann-Gymnasium. Den Einstieg durch die Nebentür ermöglicht das Kultusministerium, um den Lehrermangel in einzelnen Fächern auszugleichen. Physik ist ein klassisches Mangelfach, weil die Industrie mit Topgehältern lockt.

Für den Diplom-Physiker war es der Sprung ins kalte Wasser. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen hatte er vergeblich auf eine Universitätskarriere gehofft. Statt in Forschung oder Industrie zu wechseln, suchte der gebürtig Essener die besondere Herausforderung an der Schule: "Ich habe mich aktiv dafür entschieden, Lehrer zu werden."

Mit dem universitären Diplom-Abschluss, einem mehrjährigen Berufsleben und der begehrten Fächerkombination erfüllte der gebürtige Essener die Auflagen des Ministeriums.

Von einem auf den anderen Tag war Kriner eingestellt - zeitlich befristet. In einer siebten Klasse ging es sofort ans Eingemacht: "Unterrichtsinhalt in Physik war die Sicherheitsbelehrung", erinnert er sich. "Schwierig war es, meinen wissenschaftlichen Anspruch zu verlassen und so runter zu kommen, dass die Schüler es verstehen."

Ohne Ausbildung geht es nicht, denn ein moderner handlungsorientierter Unterricht fällt nicht vom Himmel. Was André Kriner an pädagogischen und fachdidaktischen Kenntnissen fehlt, erhält er am Studienseminar Lüneburg für das Lehramt an Gymnasien. Zwei Jahre dauert die Bildungsmaßnahme. Wertvolle Tipps erhält der Seiteneinsteiger von seinen Kollegen und einer ihm persönlich zugewiesenen Mentorin aus dem Kollegium. Ansonsten gilt für ihn das Prinzip "Learning by doing".

Wöchentlich 19 Stunden steht er vor Schülern der sechsten Klassen und des zwölften Jahrgangs. Jede Stunde fordert eine entsprechende Vorbereitungszeit am heimischen Schreibtisch oder in der Gerätesammlung der Schule. "Anfangs war es superhart und anstrengend. Meine Woche bestand aus mindestens 60 Arbeitsstunden." Nach dem ersten Jahr geht Kriner gelassener in die zweite Runde mit der Erfahrung: "Es ist kein leichter Job und immer noch ist die Vorbereitung sehr zeitaufwendig." Die Hauptaufgabe, die es zu bewältigen gilt, heißt: "Wie kann ich den Schülern gerecht werden? Mein Ziel ist es nicht, zu erzählen, sondern die Schüler sollen sich selbst durch Erkenntnisse Wissen erarbeiten."

Ohne Quereinsteiger wie André Kriner säßen in Deutschland unzählige Schüler Tag für Tag vor einem verwaisten Lehrerpult.

Deshalb ist im Bernhard-Riemann-Gymnasium seit dem neuen Schuljahr ein zweiter Quereinsteiger eingestellt worden. Schulleiter Thomas Müller fordert für die neuen Kollegen, die gut vom Kollegium aufgenommen und begleitet würden: "Eine höhere Zahl an Beratungsbesuchen und mehr Stunden am Studienseminar. Um die Abbrecherquote zu minimieren, müssen Quereinsteiger sehr sorgfältig ausgebildet werden."

Weil in der Lehrerversorgung auch zukünftig mit erheblichen Engpässen zu rechen ist, werden weiterhin Quereinsteiger von den Schulen gesucht. Aktuell sind in der Statistik für den Landkreis Lüneburg nur fünf Quereinsteiger im gymnasialen Bereich eingetragen, davon drei Neueinstellungen. "Im Lüneburger Raum werden für den Grund-, Haupt- und Realschulbereich noch keine Quereinsteiger benötigt, da es hier genügend andere Bewerber für den Schuldienst gibt", teilte Susanne Strätz, Sprecherin der Landesschulbehörde auf Anfrage der Rundschau mit.