Der Komplex aus dem Jahr 1793 soll abgetragen und dann saniert wieder aufgebaut werden. Die Kosten: 1,2 Millionen Euro.

Lüneburg. Es ist der Eingang mit dem Buchstaben D, durch den seit Anfang 2007 kein Beamter und kein Bürger mehr einen Fuß gesetzt hat. In dem von vorne weiß getünchten Haus im Hof der Landkreisverwaltung saßen bis dahin die Mitarbeiter des Fachdiensts Umwelt. Bis klar war: Das Gebäude ist zu beschädigt, um es weiter nutzen zu können. Jetzt wird es abgetragen, restauriert und an selber Stelle wieder aufgebaut.

Die ersten Pläne für eine Sanierung gab es bereits vor vier Jahren: Im Haushalt 2006 waren 170 000 Euro dafür eingeplant. "Doch bei näherem Hinsehen stellte sich heraus: Der Zustand ist desolater als angenommen", berichtet Detlef Beyer, Leiter der Gebäudewirtschaft beim Landkreis.

Der Lüneburger Architekt Heinz Henschke untersuchte das Gebäude und lieferte vor gut zwei Jahren eine umfangreiche Schadenskartierung ab. "Es gibt Verformungen durch Senkungsbewegungen sowie Schäden durch Schädlinge und aggressiven Hausschwamm", fasst er das Ergebnis zusammen.

Vier Varianten von vorsichtiger Sanierung bis zum kompletten Neubau hat Henschke Verwaltung und Politik vorgelegt, im Bauausschuss entstand nach langer Diskussion schließlich eine fünfte: So viel erhalten wie möglich und dabei wirtschaftlich bleiben.

1793 wurde das Haus gebaut als Speicher für die Lagerung der abgabepflichtigen Güter des ehemaligen Michaelisklosters, denn der bisherige Kornboden musste abgerissen werden: Die Ritterakademie sollte eine neue Reithalle bekommen und brauchte Platz. Schon der Neubau Ende des 18. Jahrhunderts war ein Beispiel für Recycling von Baumaterial: Diverse Balken aus dem alten wurden in dem neuen Speicher wieder verwendet, sind also deutlich älter als von 1793.

2009 nun steht das zweite Recycling an: Das Haus wird in großen Teilen abgetragen, die wieder verwertbaren Teile anschließend weitergenutzt. "Wir wollen das Haus so leicht wie möglich machen, die Reste abstützen und eine 30 Zentimeter dicke Sohle aus Beton in den Boden bringen", erklärt der auf Denkmalschutz spezialisierte Architekt.

Die Sohle soll das Haus vor weiteren Senkungsschäden schützen. Bauleiterin Christina Lippert macht aber deutlich: "Dass dadurch für alle Zeit Ruhe herrscht, ist eine Illusion. Das Haus befindet sich nahezu im Zentrum des Lüneburger Senkungsgebiets, der Boden verschiebt sich zudem horizontal in Richtung Osten." In den vergangenen Jahrzehnten ist das Gebäude fast 20 Zentimeter Richtung Innenstadt gewandert, der Boden hat sich zwischen 1950 und 1985 teilweise um fast 30 Zentimeter gesenkt. Seitdem hält er jedoch nahezu still.

Für die Restaurierungsarbeiten richtet das Architekturbüro direkt hinter dem Zinskornhaus eine mobile Werkstatt ein: Nur die nicht mehr zu rettenden Steine, Ziegel und Pfannen kommen direkt in die Müllschütte - vom Fachwerk wohl 30 bis 40 Prozent. Der Rest kommt in die Werkstatt, wird saniert und gelangt anschließend zurück ins Haus - wenngleich nicht exakt an die jeweils ehemalige Stelle.

"Steingenau zu restaurieren, wäre zu aufwendig", erklärt Bauleiterin Lippert. Zumal das Haus kaum dekorative historische Bausubstanz enthält. Unter Denkmalschutz steht es trotzdem: als Teil des Gesamtensembles von ehemaligem Kloster und ehemaliger Ritterakademie.

Bereits komplett abgerissen ist das Torhaus zwischen Zinskornhaus und dem nächsten Verwaltungsteil, es soll neu gebaut werden. "Es wird einen Durchgang geben, der im Zuge unseres Projekts ,Bürgergärten' eine Umgehung der Michaeliskirche möglich macht", erklärt Gebäudechef Beyer. Dehnungsfugen zwischen den Häusern sollen die Horizontalverschiebungen auffangen.

Gedämmt wird das neue alte Haus mit atmungsaktivem Material, um erneute Feuchtigkeitsschäden zu vermeiden. Denn die Farbe über Steinen und Balken an der West- und Nordfassade hat die Mauern zwar vor Nässe geschützt - war gleichzeitig aber idealer Nährboden für Schädlinge, weil nicht luftdurchlässig.

Geplant ist, das Mammutprojekt für 1,2 Millionen Euro bis Juli 2010 fertigzustellen. Dann sollen wieder bis zu 25 Mitarbeiter der Landkreisverwaltung hinter dem Eingang mit dem Buchstaben D arbeiten können.