Vor allem Väter und Großeltern streiten für das Recht, die Kinder auch nach Scheidung zu sehen.

Lüneburg. Weil sie selbst wissen, wie schmerzhaft eine vom Gericht erzwungene Trennung vom eigenen Kind oder Enkelkind ist, gehen sie auf die Straße: Dorette Kühn (55) und Peter Witkowski (42) von der Lüneburger Initiative "Entsorgte Eltern und Großeltern".

Wie berichtet, hat Witkowski seine Tochter aufgrund eines Umgangsausschlusses bereits seit fünf Jahren nicht mehr gesehen. Kühn steckt in einer ganz ähnlichen Situation. Bei ihr sind es die Enkelkinder, die sie schmerzlich vermisst. Am Sonnabend, 12. September, um 11 Uhr starten Kühn und Witkowski gemeinsam mit zahlreichen anderen Vätern, Müttern, Omas und Opas zu einer Demonstration unter dem Motto "Allen Kindern beide Eltern und Großeltern". Treffpunkt ist vor dem Kreisjugendamt Lüneburg, Auf dem Michaeliskloster 4.

"Wir wollen Politiker auf ein bundesweites Problem aufmerksam machen", begründet Peter Witkowski, der auch Vorstandsmitglied der Selbsthilfegruppe "Väteraufbruch für Kinder e.V." ist, die Aktion. Denn nach Schätzungen eines Bündnisses unterschiedlicher Betroffeneninitiativen sind in Deutschland jährlich etwa 200 000 Kinder von Scheidung und Trennung der Eltern betroffen. Bereits nach einem Jahr verliere die Hälfte von ihnen den Kontakt zu einem Elternteil - und damit oftmals auch zu den Großeltern, so die Initiativen.

Dabei gibt es bereits seit 1992 eine Praxis, die Eltern im Konfliktfall zwingt, selbst nach einer Lösung im Sinne des Kindes zu suchen. Jürgen Rudolph, Familienrichter a. D. aus Cochem, hat die sogenannte "Cochemer Praxis" maßgeblich mitentwickelt. Er sagt: "Es geht nicht darum, den Eltern eine Lösung vorzugeben, aber man kann ihnen einen Weg vorgeben." Die Cochemer Praxis setzt dabei auf Beratung, Mediation und lösungsorientiert arbeitende Sachverständige - erfolgreich, so Rudolph: "98 Prozent der streitenden Eltern haben über dieses Verfahren eine Lösung gefunden." Das habe eine drei Jahre andauernde Evaluation der Lebensberatungsstelle Cochem ergeben. "Der Knackpunkt ist die frühe Intervention", erklärt Rudolph.

Dazu bedürfe es einer interdisziplinären Ausbildung aller Prozessbeteiligten. Richter, Anwälte, Sachverständige, Mitarbeiter von Beratungsstellen und des Jugendamtes müssten sich stärker vernetzen. Alle sollten in den wichtigsten psychologischen und juristischen Grundlagen geschult sein und die Sichtweise des Kindes im Verfahren zur Handlungsmaxime erheben. "Ich habe häufig erlebt, dass Jugendämter und Gerichte vor dem Widerstand der Eltern kapitulieren", so Rudolph, der als Anwalt auch Peter Witkowski vertritt.

Damit anderen Eltern, Großeltern und vor allem den Kindern ein ähnliches Schicksal wie ihnen erspart bleibt, fordern die Selbsthilfegruppen eine Gleichwertigkeit von Mutter und Vater bei Sorgerechtsstreitigkeiten.