Vattenfall ist als Betreiber nicht geeignet, sagt die Physikerin Oda Becker: Technisch in einem bedenklichen Zustand sei das Werk für einen Störfall nicht gerüstet.

Lüneburg. Hart ins Gericht geht ein aktuelles Gutachten mit Vattenfall als Betreiber des Atomkraftwerkes Krümmel, das die Sicherheitskultur und das Verhalten des Energiekonzerns beleuchtet. Das Urteil der Studie, die die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bei der Diplom-Physikerin Oda Becker vom Scientific Consulting for Energy and the Environment in Hannover in Auftrag gegeben hatte, kommt zu dem Schluss: ,,Es besteht in Krümmel, verursacht durch die mangelhafte Sicherheitskultur des Betreibers, die erhöhte Gefahr, dass eine Kombination aus Bedienungsfehlern und technischen Fehlern zu einem schweren Unfall führt." Zum Schutz der Bevölkerung sei deshalb von einer erneuten Inbetriebnahme des Meilers abzuraten, so das Gutachten. Zumal eine großflächige Evakuierung der Bevölkerung nach einem Kernschmelzunfall in Krümmel wegen der kurzen Vorwarnzeiten praktisch kaum möglich sei.

Das Ergebnis der Studie ist Wasser auf die Mühlen von Andreas Meihsies, Sprecher des Kreisverbandes der Grünen und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat Lüneburg. Er sagt: ,,Das Gutachten spricht Klartext und teilt unsere Einschätzung, dass Vattenfall kein zuverlässiger Betreiber ist." Der grüne Bundestagskandidat kritisiert ebenfalls Defizite bei der Technik des Kernkraftwerkes und beim Personal. ,,Wenn Krümmel wieder ans Netz geht, muss man damit rechnen, dass es irgendwann zu einer kritischen Situation kommt, die nicht mehr zu beherrschen ist", so Meihsies. Er vergleicht das Kraftwerk mit einem Gebrauchtwagen, der ständig Probleme mit der Technik hat: ,,Auch wenn Ersatzteile eingebaut werden, so bleibt es ein altes Auto, an dem immer wieder Nachbesserungen nötig sind."

Die Physikerin und Gutachterin Becker kommentiert den ersten Trafobrand in Krümmel am 28. Juni 2007 mit den Worten: ,,Das Ereignis zeigte, dass die Betriebsmannschaft insgesamt schlecht auf einen Störfall vorbereitet ist. Dieser fehlte sowohl die erforderliche Fachkunde als auch das

notwendige Sicherheitsbewusstsein." Im Bezug auf die jüngsten Trafobrand am 4. Juli und die Reaktorschnellabschaltung erklärt sie: ,,Es sind zum einen die Vielzahl der Fehler, Pannen und Unachtsamkeiten, die Zweifel an der erforderlichen Zuverlässigkeit und Fachkunde des Betreibers für den Betrieb einer Atomanlage aufkommen lassen. Der Hauptgrund an seiner Zuverlässigkeit und Fachkunde zu zweifeln, ist jedoch das wiederholte Auftreten gleicher Fehler." Es müssten die Ursachen der Ereignisse ermittelt werden, um abzuklären, ob Mängel in der Betriebsorganisation verantwortlich für eine Häufung seien, fordert Becker. Aber darin liege ein wesentliches Kernproblem in Krümmel. ,,Der Betreiber selbst geht Ursachen von Ereignissen nur in recht beschränktem Maße auf den Grund", sagt die Physikerin.

Krümmel sei zudem in einem sicherheitstechnisch bedenklichen Zustand. ,,Vattenfall nimmt das Risiko, dass dadurch von der Anlage ausgeht, in Kauf." Das Atomkraftwerk werde seit Jahren nicht nach sicherheitstechnischen Erfordernissen betrieben, sei nicht angemessen gewartet und überprüft worden, so die Gutachterin. Wenn überhaupt, könne das Kraftwerk nur mit einem extrem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand wieder auf ein vertretbares Sicherheitsniveau gebracht werden. Aber: ,,Vattenfall zeigt diese Bereitschaft nicht." Vielmehr sei dem Konzern trotz der massiven Defizite nur daran gelegen, die Anlagen möglichst schnell wieder in Betrieb zu nehmen. Das moniert auch Meihsies: ,,Sicherheit geht vor Profit."

Die Studie räumt allerdings auch ein, dass es juristisch komplexer sei, Vattenfall unzureichende Zuverlässigkeit nachzuweisen. ,,Die gehäuft aufgetretenen Ereignisse müssen in einem inneren Zusammenhang stehen, etwa mit der Einstellung des Betreibers, es mit den Vorschriften nicht so ernst zu nehmen. Eine zufällige Häufung von Ereignissen ist daher rechtlich irrelevant."