Kein Mietspiegel und keine Verordnung zur Berechnung der Unterkunftskosten. Wird zu wenig gezahlt?

Lüneburg. Am Anfang sah alles gut aus: Die neue Wohnung am Kreideberg schien frisch renoviert und bot genug Platz für die alleinerziehende Mutter mit ihren beiden Kindern. Mit 75 Quadratmetern Wohnfläche und 505 Euro Kaltmiete entsprach die Wohnung auch den Vorgaben der Arge Lüneburg, der Arbeitsgemeinschaft Arbeit und Grundsicherung, die für die Hartz-IV-Empfängerin die Kosten für die Unterkunft übernehmen sollte.

Doch schon im Winter bilden sich dicke Schimmelflecken an den Wänden. Fast zwei Jahre bemüht sich Petra M. (Name von der Redaktion geändert) um eine neue Bleibe, doch sie findet nichts Adäquates. Ihr Sohn (10) erkrankt an Asthma und muss die vierte Schulklasse wiederholen. Auch die 43-Jährige wird krank. Schließlich findet sie eine andere Wohnung. Im Mai 2008 zieht sie dort ein. 86 Quadratmeter, vier Zimmer 566 Euro Kaltmiete. Zu teuer befindet die Arge. Mehr als 505 Euro stünden der Bedarfsgemeinschaft nicht zu, so das nüchterne Argument.

Die Alleinerziehende versucht, die Miete aus den Regelsätzen und dem Kindergeld aufzubringen. Rund 300 Euro bleiben ihr und ihren Kindern im Monat zum Leben. Das Geld reicht vorne und hinten nicht, der neue Vermieter droht mit Zwangsräumung. Petra M. bittet die Behörde um ein Darlehen, um den bevorstehenden Rauswurf abzuwenden. Doch die Arge lehnt ab.

Mehr Verständnis fand die Frau jetzt beim Lüneburger Sozialgericht. Nicht nur, dass die Arge zur Gewährung des Darlehens verurteilt wurde, der Behörde wurde auch nachgewiesen, falsche Zahlen zur Ermittlung der Kosten für die Unterkunft herangezogen zu haben.

Rechtsanwalt Wolfgang Schulz, der Petra M. vertritt, dazu: "Die Frage, wie die Grenze der angemessenen Wohnungskosten bestimmt ist, ist seit langem strittig. Der Gesetzgeber macht keine Vorgaben und es gibt keine speziellen Verordnungen dazu. Das Bundesgericht hat immer mal wieder entschieden, dass es auf eine Einzelfallbetrachtung ankomme."

Zur Berechnung der Unterkunftskosten werde üblicherweise der Mietspiegel herangezogen. Doch für Lüneburg gibt es keinen. Die Arge rechnet stattdessen mit den Tabellen zum Wohngeldgesetz. "Das ist auch in Ordnung, auch wenn die dafür ursprünglich nicht gedacht waren", so Schulz. "Das Problem entstand mit der Erhöhnung der Wohngeldtabelle zum 1. Januar dieses Jahres. Die Arge hat diese Erhöhung nicht umgesetzt und auf eigene Erhebungen zurück gegriffen, um die Grenze zwischen angemessenen und unangemessenen Wohnungskosten festzulegen."

Das Sozialgericht befand in seinem Beschluss diese Erhebungen für nicht ausreichend. Der stellvertretende Arge-Geschäftsführer Michael Segers: "Das Problem ist, dass es keine endgültige Rechtsprechung gibt und die Gerichte urteilen zuweilen sehr unterschiedlich." Es müsse endlich mal festgelegt werden, ob die Mietstufen oder die Quadratmeter zur Berechnung herangezogen werden sollen. Christian Ratzeburg, Leiter des Fachbereichs Sozialhilfe und Wohngeld beim Landkreis Lüneburg, dem die Arge untersteht, fordert vom Gesetzgeber "richtungsweisende Hinweise zur Umsetzung der Kosten der Unterkunft. Noch besser wäre eine vom Gesetzgeber erlassene Verordnung." Wann und ob die kommen werde, könne jedoch niemand sagen.

Die Arge muss Petra M. jetzt zusätzlich 224 Euro monatlich zahlen - allerdings auf Darlehensbasis. Dagegen will Anwalt Schulz jetzt Widerspruch einlegen.