IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Zeinert sieht aber Risiken für den Arbeitsmarkt, wenn die Kurzarbeit in den Betrieben demnächst ausläuft.

Lüneburger Rundschau:

Herr Zeinert, die Meldungen zur konjunkturellen Lage sind widersprüchlich. Die Aufträge aus dem Ausland steigen, aber die Kurzarbeiterregelungen in den Betrieben laufen aus. Wo steht der Norden?

Michael Zeinert:

"Wir sind auf jeden Fall am Boden der Talsohle angekommen. Es geht auch schon wieder aufwärts - das bedeutet aber nicht, dass wir endgültig durch die Krise durch sind. Es gibt noch Risiken auf dem Arbeitsmarkt und bei der Kreditversorgung. Wenn es nach langer Kurzarbeit zum größeren Personalabbau kommt, könnten davon auch der Handel und die Dienstleister betroffen sein. Das sind Branchen, die sich bisher in der Krise behauptet haben. Außerdem muss die Industrie neue Projekte finanzieren können. Das Regelwerk "Basel II" für die Kreditvergabe der Banken muss an die Bedingungen in der Krise angepasst werden."

Rundschau:

Einzelne Experten gehen von vier bis fünf Millionen Arbeitslosen in den kommenden Monaten aus.

Zeinert:

"Ich möchte mich nicht an Spekulationen über die Höhe der Arbeitslosenzahlen beteiligen. Vielleicht springt die Konjunktur im industriellen Sektor so nachhaltig an, dass die Unternehmen auf Entlassungen verzichten können. Die Unternehmen wissen aus der Krise 2001/2002, dass sie bei Personalabbau später Schwierigkeiten haben, das Personal zurückzugewinnen."

Rundschau:

"Die Auslandsnachfrage wird am stärksten von den USA gespeist. Dort leidet man noch unter den Folgen der Finanzkrise."

Zeinert:

"Unser Export in die USA wird stark von Maschinenbau und Investitionsgütern beherrscht. Von daher schlägt eine Krise im privaten Konsum nicht eins zu eins durch. Ich sehe die Gefahr eher im aufkommenden Protektionismus. Die nationalen Märkte versuchen, sich stärker abzuschotten."

Rundschau:

"In unserer Region wird die wirtschaftliche Situation von mittelständischen Betrieben geprägt. Wie ist dort die Lage?"

Zeinert:

"Grundsätzlich fällt eine Region, die vom Mittelstand geprägt ist, in Krisen nicht in die tiefsten Täler. Sie erreicht in Boom-Phasen aber auch nicht die höchsten Höhen - alles verläuft moderater. Das sieht man auch an den Ergebnissen unserer jüngsten Konjunkturumfrage. Die Erwartungen der Betriebe in den Landkreisen Harburg und Lüneburg sind zurückhaltender. Die Industrie hat teilweise beträchtlich an Umsatz verloren. Es gibt Einbußen von 30 bis 50 Prozent. Aber auch hier gibt es Zuversicht. Viele Betriebe versuchen, ihre Service auszubauen. In Service und in Flexibilität liegen die Stärken eines Mittelständlers."

Rundschau:

"In Lüneburg stehen drei große Infrastrukturprojekte zur Debatte: Hafen, A 39 und ein neues Schiffshebewerk."

Zeinert:

"Die Projekte sehe ich positiv. Sobald die Weltwirtschaft wieder Tritt gefasst hat, werden wir im Bereich Hafen und Logistik wieder Wachstum sehen. Ich halte Investitionen in den Hafen Lüneburg für den richtigen Weg. Er wird eine wichtige Entlastungsfunktion für Hamburg haben, da darf man sich von der Krise nicht irre machen lassen. Nur so können wir vom Boom in Hamburg profitieren. Auch bei der A 39 und beim Schiffshebewerk bin ich optimistisch, was die Umsetzung angeht. Impulse erwarten wir auch vom Innovationsinkubator an der Leuphana. Da stehen Förderungen in Höhe von 85 Millionen Euro aus Brüssel an - allerdings bringt der Inkubator nur Effekte für die Region, wenn sich die Betriebe auch beteiligen können. Ein neuer wissenschaftlicher Elfenbeinturm bringt nichts. Es muss umsetzbare Ergebnisse in der Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaft und der Universität geben.