Manchmal ist die Juli-Hitze wirklich kaum zu ertragen. Da heißt es nur noch, ein schattiges Plätzchen zu suchen und auf den Abend zu warten, der endlich Abkühlung und vielleicht sogar einen erfrischenden Gewitterschauer bringt.

Und dann sehe ich diesen wahnsinnigen Jogger am Fenster vorbeirennen, genau mittags um 12 Uhr, wo die Sonne am höchsten steht und jeder vernünftige Mensch jede überflüssige Bewegung vermeidet.

Ich kenne den Mann flüchtig vom Sehen, er wohnt in der Nachbarschaft, ist längst schon im Rentenalter und könnte zu jeder beliebigen Zeit joggen, morgens um sieben oder abends um neun oder auch mitten in der Nacht. Aber er tut's in der schlimmsten Mittagshitze. Was treibt diesen Menschen an?

Ein anderer Extrem-Jogger hat mir das neulich erklärt. Es ist wie eine Sucht, hat er gesagt, du rennst und rennst und spürst die Erschöpfung nicht, bis dir der Schweiß in Sturzbächen herunterläuft und rote Kreise vor deinen Augen tanzen, erst das ist der wahre Kick. Und bei 25 oder 30 Grad im Schatten kriegst du diesen Kick natürlich viel eher als bei 15 oder 18 Grad. Ich habe nichts dazu gesagt, obwohl mir spontan etwas Passendes auf der Zunge lag. Aber das behielt ich für mich.

"Zieht euch bei kühleren Temperaturen doch etwas Ordentliches an", hätte ich fast gesagt, "lange Unterhosen und zwei dicke Pullis übereinander, schleppt einen Rucksack mit, dann kommt der Kick viel eher, und ihr müsst nicht so weit rennen". Aber wahrscheinlich verstehe ich wirklich nichts vom Joggen.