Drei Worte spiegeln die Gefühlslage des stellvertretenden Verwaltungschefs der Samtgemeinde Elbmarsch, Detlef Spremberg, nach der erneuten Pannenserie im Atomkraftwerk Krümmel wider: Angst, Schrecken und Wut.

Tespe/Lüneburg. "Wenn das Kernkraftwerk nach der Notabschaltung wieder angefahren wird, wäre das unverzeihlich", sagt Spremberg. Sein Vertrauen in den Betreiber Vattenfall sei gleich Null. "Es ist auch nicht wieder herzustellen. Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass der Reaktor unkontrollierbar ist."

Aus Gesprächen mit seinen Nachbarn in Tespe, die wie er täglich auf den Pannen-Meiler auf der anderen Seite der Elbe blicken, habe der Vater von vier Kindern absolute Fassungslosigkeit herausgehört. Spremberg: "Auch ich kann nachts nicht mehr richtig schlafen." Tespes Bürgermeister Karl-Heinz Kornberger (CDU) ist betrübt. "Ich kann die Angst der Bürger nachvollziehen." Unverständlich sei für ihn, dass es Vattenfall nicht gelinge, das Kraftwerk sicher laufen zu lassen. "Bei so viel moderner Technik ist es nicht mehr zu glauben, dass es in Krümmel immer wieder zu neuen Auffälligkeiten kommt. Vattenfall muss endlich für die nötige Sicherheit sorgen", fordert Kornberger.

Ob nun technisches oder menschliches Versagen zum jüngsten Störfall geführt habe, sei unerheblich, sagt Spremberg. "Bei der Information durch den Betreiber Vattenfall ist der gleiche Mist wieder passiert wie vor zwei Jahren beim Trafobrand. Und das, obwohl Vattenfall versprochen hatte, alles wird besser", kritisiert er. Auch Lüneburgs Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) schlägt in die gleiche Kerbe: "Nichts davon wurde eingehalten."

Deshalb fordert er: "Abschalten!" Denn als oberstem Katastrophenschützer im Landkreis Lüneburg sei ihm die Sicherheit der Bürger in der Region wichtiger als das wirtschaftliche Interesse des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall. Von dem erwarte er nicht nur eine transparente Informationspolitik, sondern auch, dass seine Kernkraftwerke auf dem neuesten Stand seien. "Aber das scheint nicht der Fall zu sein." Sollte Vattenfall noch einen Funken Verantwortung haben, so Nahrstedt, dann übertrage der Betreiber die Restlaufzeit für Krümmel auf einen anderen, modernen und intakten Reaktor. "Das ist meine politische Forderung." Die werde er der für die Atomaufsicht zuständigen Sozialministerin in Schleswig-Holstein, Gitta Trauernicht (SPD) schriftlich mitteilen. "Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erhält eine Kopie." Auch vom niedersächsischen Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) erwarte er Unterstützung.

Sein Kollege im Kreis Harburg, Joachim Bordt (FDP), sagt, auch er sei maßlos enttäuscht von Vattenfall. "Die Informationspolitik ist desaströs." Er teile die Auffassung von Ministerin Trauernicht, dass die Zuverlässigkeit Vattenfalls überprüft werden müsse. "Die Vorfälle müssen lückenlos aufgeklärt und für die Zukunft ausgeschlossen werden. Erst wenn das erbracht ist, darf das Kraftwerk wieder anlaufen." Bordt befürchtet, dass die politische Auseinandersetzung über die Atomenergie im Wahlkampf auf dem Rücken der Elbmarscher ausgetragen werde. "Für die Menschen gibt es Wichtigeres, zum Beispiel, dass die Erforschung der Ursachen für die hohe Zahl der an Leukämie erkrankten Kinder in der Elbmarsch vorangetrieben wird." Der Aspekt Leukämie müsse auch in die Zuverlässigkeitsprüfung Vattenfalls einbezogen werden, sagt er.

Auch Nahrstedt will, dass in die Aufklärung wieder mehr Bewegung kommt. "Aber ich fordere nach den aktuellen Ereignissen mehr denn je eine Umkehrlast. Nicht die Bürger müssen beweisen, dass das Atomkraftwerk der Verursacher ist, sondern der Betreiber muss das Gegenteil beweisen."

Unterdessen fordert die Lüneburger Landtagsabgeordnete Andrea Schröder-Ehlers (SPD) für die heutige Sondersitzung des niedersächsischen Umweltausschusses die Aufnahme des Themas Krümmel auf die Tagesordnung. Sie sagt: "Umweltminister Sander muss zu diesem Vorfall klar Stellung beziehen. Es geht um die Sicherheitsinteressen Niedersachsens."