Die Lüneburger Innenstadt hat einiges zu bieten. Auch musikalisch. Die Freude darüber hält sich indes in Grenzen.

Seit ich in der Fußgängerzone wohne habe ich gelernt den Winter zu schätzen. Da gibt es einfach weniger Straßenmusikanten. Vermutlich sind klamme Finger der Grund. Oder der Hut, der am Boden festfriert. Jetzt aber ist Juni. Das bedeutet: Irgendein Hobbyvirtuose steht immer vor meinem Fenster und fiedelt, flötet oder leiert.

Angesichts der Bandbreite der dargebotenen Künste würde jedes Staatsorchester vor Neid erblassen: Gitarren-Geschrammel begleitet mittelmäßig stimmsichere "Country Roads, take me hooome"-Gesänge. Dumpfe, sonore Didgeridoo-Töne durchdringen selbst geschlossene Fenster. Ein Saxofonist lässt George Michaels "Careless Whisper" ins Zimmer schweben. Oder der Dudelsackspieler, der auf die "Schottenwochen" eines zentral gelegenen Schuhhauses hinweisen möchte, raubt mir den letzten verbliebenen Nerv. Alles schon dagewesen.

Und so wird meine Studenten-WG regelmäßig und unfreiwillig von draußen in die verschiedensten Stimmungen getaucht: Kommen die sizilianischen Geigenklänge durchs Fenster, wähne ich mich unweigerlich in einer Mafia-Szenerie der Zwanziger Jahre. Die peruanische Panflöten-Truppe katapultiert mich direkt auf ein Hochplateau in den Anden. Und der Leierkastenmann lässt in meinem Flur ein Volksfest stattfinden.

So auch gestern wieder. Statt passendem, deutschem Liedgut à la "Auf der Lüneburger Heide" hatte er aber wohl die ganz neue Hit-Kompilation in seinen Leierkasten eingelegt. Und das war sogar für mich neu: "Einen Stern, der deinen Namen trägt" hört man ja nun wirklich nicht alle Tage im Leierkasten-Remix. In diesem Sinne: Ein Hoch auf die Doppelverglasung!

Martin Jäschke studiert Angewandte Kulturwissenschaften an der Uni Lüneburg.