Familien wollen von der Stadt ihr Geld zurück, falls die Kindertagesstätten länger geschlossen sind.

Lüneburg

Der Streik wird zum Stressfaktor. Zum sechsten Mal innerhalb von drei Wochen sind heute zahlreiche kommunale Kindergärten in Lüneburg geschlossen. Für die Eltern bedeutet das immensen Organisationsaufwand, für die Kinder ständig wechselnde Betreuung. Und ein Ende ist weiterhin nicht in Sicht.

Mittwochmorgen, 8 Uhr: 70 Erzieherinnen und drei Mütter planen mit Lüneburgs Ver.di-Chef Lutz Kokemüller die Aktionen, die heute von 10 Uhr an auf dem Marktplatz stattfinden sollen. Agnes Wortmann, seit 30 Jahren Kinderpflegerein, sagt, sie hätte sich mehr Engagement von den Eltern gewünscht.

Doch immerhin: Drei Mütter sind an diesem Morgen bei den streikenden Erzieherinnen, schlagen selbst Aktionen vor, signalisieren Unterstützung. "Die Kinder sind die Leidtragenden. Sie müssen diesen Streik aushalten", so Mutter Sandra Jonasson.

Sabine Dahms hat an diesem Tag fünf Kinder statt einer Tochter bei sich. "Ich arbeite von Zuhause, dann geht das einigermaßen. Läuft der Streik allerdings unbegrenzt, wird der Druck groß", sagt Dahms. "Es ist nicht klar, wie die Verhandlungen laufen und wie lange das noch dauert. Wir wissen einfach nicht, wie lange wir das alles noch überbrücken müssen."

Auch Tiana Carius-Doyen unterstützt die Erzieherinnen mit ihren Ideen. Aber: "Niemand möchte sein Kind in fremde Gruppen geben. Ich bin nicht berufstätig, dann geht das, andere Eltern müssen dahin und her organisieren. Und wenn demnächst komplett gestreikt werden sollte, überlegen wir, die Zahlung einzustellen." Sabine Dahms ergänzt: "Irgendwann sind die Eltern nicht mehr bereit, für eine Leistung zu bezahlen, die nicht in Anspruch genommen werden kann."

Dass es brodelt, weiß auch Silke Brimm-Lubert. "Die Eltern sind genervt, es herrscht Unmut", sagt die Leiterin der Kita am Klinikum. Viele der Mütter und Väter ihres Hauses sind berufstätig. Die Erzieherin sieht ihre eigene Zunft durchaus selbstkritisch: "Bei den Eltern herrscht hoher Gesprächsbedarf. Viele Kolleginnen können ihnen aber nicht wirklich klar machen, worum es uns geht: zum Beispiel um mehr Zeit für unsere administrativen Aufgaben, die immer mehr werden und uns aus den Gruppen herausreißen."

Zu einer Sondersitzung zum Thema Streik hat der Kita-Stadtelternrat für gestern Abend geladen. Bereits in der Einladung dazu hatte die Vorsitzende Anja Wilharm gefragt, ob die Kinder vielleicht zur Betreuung ins Rathaus oder zur Gewerkschaft geschickt werden sollen. Gleichzeitig warnt sie davor, Tariferhöhungen über Beitragserhöhungen der Eltern abzufangen: "Das kann nicht sein.".

Ver.di-Sekretär Kokemüller ruft die Eltern dagegen auf, "Ursache und Wirkung nicht zu verkennen". Den Streik abzubrechen, sei keine Alternative: "Dann ändert sich nichts. Wir versuchen, die Belastung im erträglichen Rahmen zu halten." Doch klar ist: Der Streik ist unbegrenzt, es gibt noch keinen Termin für eine neue Verhandlungsrunde. Und Ver.di wird den Eltern keine Kita-Gebühren erstatten. Kokemüller: "Das erwarte ich vom Arbeitgeber."

Von dort gab es dazu gestern klare Worte: "Hier wird ein rechtswidriger Streik auf dem Rücken der Kinder und Eltern ausgetragen. Wir sehen das mit großem Ärger", so Erster Stadtrat Peter Koch. "Die Arbeitsbedingungen und Vergütungen sind in Tarifverträgen festgelegt, die auch die Gewerkschaften unterschrieben haben und die noch gültig sind. Wir sehen uns das nicht mehr lange mit an, sondern werden gerichtliche Schritte gegen die Gewerkschaften prüfen." Auch eine Erstattung von Gebühren werde geprüft, versprach Koch. Die Gewerkschaft Ver.di lädt für heute von 20 Uhr an zum Info-Abend in den Hörsaal 1 der Universität.