“Entschuldigung, junger Mann, was ist das für ein Spiel, das Sie da machen?“

Lüneburg

Diese Frage bekommt Sascha Reckermann öfter gestellt, wenn er mit seiner Mannschaft im Kurpark trainiert. Schließlich sieht es auf den ersten Blick so aus, als gingen die Jugendlichen da mit Keulen und Ketten aufeinander los. Es wird lauter gebrüllt als auf einem Fußballplatz, im Zwei-Sekunden-Takt knallen Paukenschläge vom Spielfeldrand.

"Wir juggern", lautet die schlichte Antwort. Jugger, das ist ein Teamsport, der sich vielleicht am ehesten als Mischung aus Rugby und Gladiatorenkampf beschreiben lässt. Entstanden ist die Trendsportart in Hamburg und Berlin. Ihren Ursprung hat sie aber in einem australischen Trash-Film aus den 80er Jahren. Darin bekämpfen sich Clans in einer post-apokalyptischen Welt in einem blutigen Spiel, dem so genannten "Jugger".

So brutal geht es im Kurpark natürlich nicht zu. Im Gegenteil: "Das ist weniger gefährlich als Fußball spielen", erklärt ein Mitspieler einem skeptischen älteren Herrn am Spielfeldrand. Die Spielgeräte, die so genannten "Pompfen", sehen zwar aus der Ferne wie mittelalterliche Waffen aus. Doch sie sind rundherum gepolstert und daher ungefährlich. Ziel des Spiels ist es, den "Jugg" (vergleichbar mit einem Spielball) im gegnerischen Mal (einer Art Tor) abzulegen. Wer von einem Gegner mit einem Pompf berührt wird, muss für eine bestimmte Zeit bewegungslos am Boden hocken. Eine Partie dauert zwei mal einhundert Paukenschläge.

Seit zweieinhalb Jahren gibt es die Jugger jetzt in Lüneburg. Sascha Reckermann ist inzwischen Vorsitzender eines Vereins mit 45 Mitgliedern und vier festen Teams - Tendenz steigend. Darunter, als echte Rarität, eine reine Frauenmannschaft. "Ich finde das cool, wir sind derzeit das einzige Frauenteam in Deutschland", sagt Anna Rese. Warum die 18-Jährige juggert? "Es macht einfach Spaß, und vor allem ist es ein ausgefallener Sport. Ins Fitnessstudio geht ja jeder."

Die Lüneburger haben für ihren Lieblingssport schon viel erreicht, jetzt will Reckermann Jugger zur offiziellen Sportart machen. "In Berlin ist es schon anerkannt, aber nur als Turnsport", sagt der 23-Jährige. "Wir wollen erreichen, dass Niedersachsen das erste Bundesland wird, in dem Jugger offiziell als echte Sportart anerkannt wird." Die Jugger wollen damit ein Zeichen für ihren Sport setzen - und hoffen nebenbei auf Fördergelder.

In drei Wochen richtet der "Jugger Lüneburg e.V." zum ersten Mal eine niedersächsische Meisterschaft aus. Vom 12. bis zum 14. Juni werden etwa 15 Teams bei Vögelsen gegeneinander antreten. Es wird das bisher größte Ligaturnier in Norddeutschland werden. Und bis dahin werden sie noch kräftig trainieren im Kurpark.

Das wird übrigens seitens der Stadt trotz der neuen Nutzungsordnung geduldet. "Wir stehen da in engem Kontakt zur Stadtverwaltung", sagt Reckermann, der noch vor vier Wochen mit seinen Freunden gegen die neuen Regelungen demonstriert hat. Zwar sind die Sportler gegen Vandalismus im Kurpark. Die strenge neue Nutzungsordnung aber kritisieren sie.

"Wir halten Verbote für den falschen Weg", so Reckermann, der als angehender Erzieher wissen sollte, wovon er spricht. Daher beteiligt sich der Jugger-Verein an gemeinnützigen Projekten und kooperiert etwa mit Lüneburger Schulen und Jugendzentren. "Wir wollen uns einfach engagieren und nützlich machen", sagt der junge Vereinsvorsitzende.

Fragen zu ihrem Sport beantworten die "harmlosen Krieger" jederzeit gerne. Noch lieber wäre es ihnen allerdings, wenn bald jeder wüsste, dass alles nur ein Spiel ist. Und vielleicht auch bald ein richtiger Sport.