Am Studienseminar gibt es nicht einmal Bewerber für das Fach. Jetzt sollen Seiteneinsteiger den Mangel lindern.

Lüneburg

Zwei Stunden pro Woche sollen Niedersachsens Schüler laut Stundentafel des Kultusministeriums musizieren und singen. Doch oft bleiben die Instrumente im Schrank: Es fehlen die Musiklehrer in der Region - und zwar in allen Schulzweigen.

Jetzt hat der Trend einen neuen Negativrekord gebracht: Am Studienseminar Lüneburg, das unter anderem Musiklehrer für Grund-, Haupt- und Realschulen ausgebildet, ist in diesem Frühjahr zum ersten Mal seit zehn Jahren überhaupt kein Anwärter für Musik in der Ausbildung: "In Musik haben wir durchaus einen Mangel. Aber es gibt im ganzen Land auch nur wenige Absolventen", sagt Anette Grunert-Scholling, Leiterin des Studienseminars in Lüneburg. Ihrem Kollegen Burkhard Sohns, Leiter des Studienseminars in Buchholz, geht es nicht besser: "Den Nachwuchsmangel in Musik beobachten wir schon seit längerem."

Das Fehlen der Fachlehrer macht sich in allen Schulzweigen bemerkbar - und kann nicht so leicht aufgefangen werden, denn eine Vertretung in Musik ist für die Kollegen aus anderen Fächern schwierig.

Das Land Niedersachsen versucht, mit Förderprogrammen die musikalische Kompetenz der Kinder zu stärken: Mit dem Projekt "Hauptsache Musik" sollen Kooperationen zwischen Vereinen, Schulen und Verbänden gestärkt werden. Am Fachlehrermangel ändert das allerdings nichts.

Woran liegt es, dass so wenig angehende Pädagogen Musiklehrer werden wollen? "Das kann ich mir nur schwer erklären", sagt Carola Schormann, Professorin im Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Leuphana Universität. "An Leuphana studieren in jedem Jahrgang rund 30 angehende Musiklehrer. Ich habe nicht den Eindruck, dass das Interesse sinkt."

Sind die Aufnahmeprüfungen an Universitäten und Musikhochschulen womöglich zu schwer? "In jedem Fall waren sie lange Zeit falsch ausgerichtet", sagt Hans Jünger, Vorsitzender des Hamburger Landesverbandes deutscher Schulmusiker (VdS). "Auf die pädagogische Kompetenz der Bewerber wurde nicht ausreichend geachtet, stattdessen gab es hohe Anforderungen an die musikalischen Fähigkeiten." Die Bewerber erkannten oftmals erst im Referendariat, was an der Schule auf sie zukommt: "In Hamburg gab es deshalb Änderungen bei den Aufnahmeprüfungen", sagt Jünger.

Zu einem etwaigen Praxisschock kommen die Abwanderungstendenzen derjenigen, die es geschafft haben: Viele junge Musiklehrer bleiben nicht im Norden der Republik. Seit der Förderalismusreform im Jahr 2006 sind die Bundesländer bei der Besoldung ihrer Lehrer frei - was zur Folge hat, dass ein Musiklehrer in Baden-Württemberg und Hessen derzeit mehr verdient als sein Kollege in Niedersachsen.

Das Land Niedersachsen setzt in dieser Situation vermehrt auf Quereinsteiger: "Musik ist in der Tat ein Mangelfach, vor allem in den weiterführenden Schulen", sagt Corinna Fischer, Sprecherin des Kultusministeriums in Hannover. In den Jahren 2007 und 2008 gab es landesweit insgesamt 443 neue Lehrkräfte für das Fach Musik, doch das reicht nicht aus. "Wir werben hier wie in anderen Mangefächern um qualifizierte Hochschulabsolventen - und auch um Bewerber ohne Lehramtsausbildung", sagt Fischer.