Im Lüneburger Forst treibt ein Pilz sein Unwesen: “Chalara fraxinea“ verstopf die Wasserleitungsbahnen der Eschen und lässt die Bäume vertrocknen.

Lüneburg

Im Oedemer Forst ragen kahle Eschenkronen trostlos in den Himmel, nur noch vereinzelt sind kümmerliche Blätter an den Bäumen zu sehen. Michael Stall, fachlicher Leiter Waldbau des Stadtforstamtes Lüneburg, sagt: "Ein Pilz mit dem lateinischen Namen ,Chalara fraxinea' befällt die Eschen." Vor allem für junge Bäume sei der Erreger oftmals tödlich.

Doch auch ältere Eschen sind betroffen. "Der Pilz verstopft die Wasserleitungsbahnen. Die Esche kann das Wasser nicht mehr bis oben in die Blätter transportieren und vertrocknet", erklärt Stall. Die Krankheit, in Fachkreisen als Eschentriebsterben bekannt, ist noch relativ neu. Nach Angaben der Nordwestdeutschen forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) ist das Eschentriebsterben 2002 erstmals in Deutschland aufgetreten. Dr. Ulrich Bressem ist Experte für Komplexerkrankungen bei der NW-FVA. Er sagt: "Wir wissen nicht genau, was die Ursachen für den Pilzbefall sind."

Fest stehe allerdings, dass "Chalara fraxinea" vor allem im norddeutschen Raum verbreitet ist. Und zwar massiv: "Angesichts der starken Verbreitung werden wir den Pilz nicht mehr auslöschen können. Die Forstwirtschaft muss sich zukünftig damit auseinandersetzen, dass Eschen erkranken", so Bressem.

Für Michael Stall und seine Kollegen bedeutet das: "Wir stehen jetzt vor der Entscheidung, den Bäumen noch eine Chance zu geben und sie stehen zu lassen oder die befallenen Eschen als Vorbeugungsmaßnahme zu fällen." Wirklich schützen könne man im Grunde gar nicht, höchstens durch ein Anbauverbot wie es in Mecklenburg-Vorpommern durchgesetzt wurde. "Dort waren mehr als 25 Prozent der Waldfläche mit der Baumart Esche befallen", so Stall.

Im Lüneburger Forst sind alle Eschenbestände betroffen. Das allerdings klingt dramatischer als es ist. Michael Stall erklärt: "Bei uns im Forst sind weniger als 1,5 Prozent der Waldfläche mit Esche bestockt. Zwar sind alle Bestände befallen, das heißt aber nicht, dass tatsächlich jede Esche infiziert ist." Es handle sich immer nur um einzelne Bäume.

Glücklicherweise sei der Pilz für andere Baumarten nicht gefährlich. Stall: "Krankheiten, die durch Viren oder Pilze entstehen, sind so speziell, dass sie nur auf einen Wirt ausgerichtet sind." Trotzdem gäbe es immer ganz nah verwandte Arten, die dann auf einmal eine andere Baumart befallen. Das Phänomen, das eine Art von einem neu aufgetretenen Erreger befallen werde, gäbe es schon lange, erklärt Stall weiter. Aber in den letzen Jahren häuften sich die Fälle: Ulmensterben, Eichensterben, Erlensterben und jetzt das Eschensterben. "Der Patient Wald ist geschwächt und daher anfälliger", sagt Stall.

Zum Beweis seiner Worte deutet der Förster auf eine Eiche. Die hellgrünen Blätter ummanteln die Äste eher spärlich. "Vor 70 oder 80 Jahren wäre da ein dichter Kronenmantel gewesen", sagt Stall. Inzwischen fehlten in der Region Nordwestdeutschland der Eiche zwischen zehn und 30 Prozent der möglichen Blätter. "Und dieser Wald sähe noch ganz anders aus, wenn wir Forstleute nicht immer wieder die besonders kranken Bäume herausschlagen würden", erklärt der Förster weiter. Pro Jahr erwirtschafte das Forstamt etwa 200 bis 400 Festmeter Holz über die zwangsbedingte Nutzung durch absterbende Bäume.

Die Esche spiele aus wirtschaftlicher Sicht zwar keine große Rolle. "Aber aus ökologischer Sicht ist die Esche eine ganz fantastische Baumart", sagt Michael Stall. Immerhin schaffe sie in dem sonst doch sehr einheitlichen Wald eine Bereicherung. Und jede Baumart habe natürlich eine ganz spezielle Fauna, die an ihm lebt. Stall: "Zum Beispiel der Eschenprachtkäfer ist ganz klar an die Esche gebunden." Und überall da, wo die Esche verschwindet, werden dann auch diese Tierarten verschwinden. Allerdings räumt Michael Stall ein: "Es wird nicht so sein, dass die Esche auf einmal ausstirbt. Aber es kann punktuell schon zu erheblichen Rückschlägen kommen." Die Erfahrung zeige, dass eine Baumart meist einige brauche, um eine Resistenz gegen eine Pilzkrankheit zu entwickeln. Eine Garantie dafür gäbe es allerdings nicht.