Anfang dieser Woche will das Landgericht Lüneburg über den Befangenheitsantrag gegen die neunte Zivilkammer beim Verfahren zwischen der Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg und ihrem ehemaligen Hauptgeschäftsführer Wolfram Klein entscheiden.

Lüneburg. Auseinandersetzen muss es sich dann auch mit dem Vorwurf, das Gericht habe in einer Pressemitteilung unzulässige Interpretationen zu diesem Rechtsstreit verbreitet. Das behauptet Kleins Anwalt Ferdinand Brüggehagen.

In der Mitteilung heißt es: "Hintergrund des Rechtsstreits ist die Kündigung des (ehemaligen) Geschäftsführers [d. Red.] wegen zahlreicher behaupteter Pflichtverletzungen (weisungswidriger Abschluss einer Dienstvereinbarung über betriebliche Alterversorgung, Kündigung der Mitgliedschaft im Versorgungsverband der Deutschen Wirtschaftsorganisationen mit einem möglichen Schaden von rund 300 000 Euro)." Das sei falsch, sagt Brüggehagen: "Tatsächlich hat die IHK ihre Kündigungen des Dienstvertrages zu keinem Zeitpunkt mit der Beendigung der Mitgliedschaft im Versorgungsverband der Deutschen Wirtschaftsorganisationen VdW begründet. Auch hat sie nie behauptet, dass dadurch ein Schaden von 300 000 Euro entstanden sei." Im Gegenteil habe sie mehrfach geltend gemacht, die Höhe des Schadens nicht beziffern zu können. Dies seien also "Interpretationen des Gerichts".

Deshalb hat Brüggehagen gegen die Pressemitteilung interveniert. "Der Pressesprecher antwortete, er sei der Ansicht, dass die IHK die Kündigung im VdW auch als Grund angeführt habe und einen möglichen Schaden von 300 000 Euro nenne, auch wenn sie darauf hinweise, dass ihr eine genaue Bezifferung nicht möglich sei", berichtet der Anwalt. "Diese Antwort wirft die Frage auf, seit wann es eigentlich die Sache des Pressesprechers eines Gerichts ist, das Vorbringen der Parteien in einem Prozess, mit dem er selbst nicht als Richter befasst ist, in einer dem tatsächlichen Wortlaut derart widersprechenden Weise zu interpretieren und seine diesbezüglichen Ansichten auch noch zum Gegenstand von Pressemeldungen des Gerichts zu machen."

Als Beleg zitiert Brüggehagen einen Schriftsatz des IHK-Anwalts nach der mündlichen Verhandlung: "Sofern bei Gericht der Eindruck entstanden ist, die Vorgänge um die Jahreswende 2007/2008 (z.B. Kündigung des VdW) seien eigenständige Kündigungsgründe, bitte ich, dieses Missverständnis zu entschuldigen. [...] Wie hoch der Schaden sein wird, lässt sich noch nicht feststellen."

Der Sprecher sagte der Rundschau: "Die Pressemitteilung ist nicht die Meinung der Zivilkammer, die entscheidet. Ich fasse den Sachverhalt zusammen, wie ich ihn verstehe", so Dr. Bernd Gütschow. "Es kann dabei zu Unstimmigkeiten kommen, aber: Ich bin mir sicher, dass es genau so in den Akten steht. Ich habe mir im Nachhinein die Akte angeguckt und bin der Meinung, dass meine Pressemitteilung richtig ist - unter dem Vorbehalt, dass ich zusammenfassen muss."