Vorbei die Zeit der Demos, Streiks und Straßenkämpfe. 40 Jahre nach der 68er-Revolution gibt nur noch etwa ein Drittel der deutschen Studenten an, starkes politisches Interesse zu besitzen.

Das hat die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden. Der Wert sank von immerhin 54 Prozent zu Beginn der Umfrage im Jahr 1983 auf nur noch 37 Prozent.

Und es stimmt ja, leider. Schon in meinem ersten Semester, das nun zugegebenermaßen schon eine Weile zurückliegt, hatte ich in einem Seminar ein kleines Schlüsselerlebnis:

Da steht dieser freundliche, kleine ältere Herr vor uns. Ein Gastdozent, mit schneeweißem, gepflegtem Haar, Nickelbrille, Karohemd. Auf dem Programm steht die Geschichte der Zeitungs- und Presselandschaft Deutschlands. Ein Teil davon: Studentenrevolte, Benno Ohnesorg. Mit überkreuzten Beinen sitzt der kleine, ergraute Mann auf seinem Tisch. Seine Augen funkeln, als er aus seiner eigenen Studentenzeit erzählt, von Protest und politischem Idealismus.

Wir, die Studenten von heute, sitzen auf Stühlen. Auf den Tischen vor uns: karierte Spiralblöcke, chlorfrei gebleicht, bunte Mappen mit Transparentsichtfenster und Paperclip, Werbekugelschreiber. Kein Funkeln in unseren Augen. Wir haben keine politische Meinung.

Das entgeht unserem Alt-68er-Dozenten nicht. "Macht den Mund auf! Geht auf die Straße! Lasst euch nicht alles gefallen! Macht etwas!" ruft er uns zu, als die Diskussion bei den Studiengebühren angelangt ist. Er meint das todernst.

Wir aber sitzen da, und fragen uns, ob das wohl zum Lehrkonzept gehört. Uns geht es doch gut. Oder?

Martin Jäschke studiert Angewandte Kulturwissenschaften an der Uni Lüneburg.