Niedersächsischer Städtetag wehrt sich gegen Pläne der Bundesregierung und fordert pauschale Abrechnung für Leistungen an bedürftige Kinder.

Lüneburg. Der Niedersächsische Städtetag wehrt sich gegen die Pläne der Bundesregierung, das Abrechnungssystem für das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket einkommensschwacher Familien von einer pauschalen Summe auf individuelle Nachweise umzustellen. Die Spitzabrechnung würde einen erheblichen Mehraufwand für die Verwaltungen nach sich ziehen, kritisierten die Vertreter der Kommunen bei ihrer Sitzung gestern in Lüneburg.

Über das Bildungs- und Teilhabepaket sollen bedürftige Kinder, deren Eltern Sozialgeld oder Hartz IV bekommen, Zuschüsse bekommen zum Beispiel für das Mittagessen in der Schule, für den Sportverein, den Musikunterricht oder auch für Schulausflüge und Lernmaterial. 66 Millionen Euro hat der Bund den niedersächsischen Kommunen im vergangenen Jahr dafür zur Verfügung gestellt.

Und 250 Millionen Euro Verwaltungsaufwand entstehen bei der Antragsbearbeitung bereits jetzt. Bundesweit. Eltern müssen für jedes Kind mehrere Anträge stellen: fürs Mittagessen, für den Sportverein, den Musikunterricht und den Schulausflug getrennt. Die Zuschüsse erhalten die Kommunen dafür vom Bund bislang pauschal erstattet - pro Kind.

Nur 60 bis 70 Prozent der Mittel aber erreichen tatsächlich diejenigen, die einen Anspruch darauf haben. "Schon jetzt stellen nicht alle Eltern einen Antrag, die die Leistung erhalten würden", sagt Frank Klingebiel, Präsident des Niedersächsischen Städtetags (NST). "Es ist eine Schande, dass das Geld da ist und nicht komplett bei denjenigen ankommt, für die es gedacht ist."

Das liege jedoch nicht am fehlenden Bedarf, sondern am Verfahren. Das nennt NST-Geschäftsführer Heiger Scholz bereits ein "bürokratisches Monstrum". Die entstehenden Verwaltungskosten seien trotz pauschaler Abrechnung oft höher als die Leistung selbst. Scholz: "Das ist Arbeitsbeschaffung." Die Kommunen, deren Lobby der Verband ist, verteidigt das Präsidium jedoch: Sie hätten praktische, flexible Lösungen für das Paket entwickelt.

"Wir haben Abrechnungsstellen geschaffen, EDV-Programme angepasst, Mitarbeiter geschult, teilweise wurde zusätzliches Personal eingestellt", argumentiert Klingebiel. "Dieser Aufwand ist von der Verwaltungskostenpauschale bei Weitem nicht gedeckt."

Nicht verbrauchte Mittel müssen die Kommunen schon jetzt zurück an den Bund überweisen. Und die Kommunen seien verlässlich genug, um das Geld des Bundes pauschal zugewiesen zu bekommen und an die Empfänger weiterzuleiten. "Unsere dringende Bitte ist, es bei der Pauschale zu belassen und keinen Riesenaufwand für eine Spitzabrechnung entstehen zu lassen", sagt Frank Klingebiel (CDU), Oberbürgermeister der 100 000-Einwohner-Stadt Salzgitter.

Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) geht noch weiter: "Es kann nur über eine Pauschalierung gehen, da muss der Bundestag einsichtig sein. Auch das Konjunkturpaket wurde schließlich sehr vereinfacht abgerechnet." Schulleiter und Erzieher müssten schon jetzt sehr viel Beratung in Kitas und Schulen leisten, damit Eltern überhaupt Anträge stellen. Die Zuschüsse zum Mittagessen würden gut angenommen, die für Sportvereine eher zögerlich.

Die Leistung gibt es seit 2011, rund zehn Euro monatlich stehen Kindern für den Bereich "Gesellschaft" zu, dazu kommen das Schulpaket sowie das Mittagessen. Rund 7000 Mädchen und Jungen haben in Stadt und Landkreis Anspruch auf die Förderung. "Am besten wäre, das Mittagessen ganz ohne Antrag zu bezuschussen", sagt Mädge. "Wir wissen am besten, welches Kind bedürftig ist."

Neben dem Bildungs- und Teilhabepaket debattierten die Kommunenvertreter unter anderem über den Demografiebericht der Landesregierung. Er sei der richtige Schritt, jetzt müssten Konzepte folgen. "Es muss eine ehrliche Diskussion geben", fordert Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge. "Dabei werden wir einigen Mitgliedern auf die Füße treten müssen." Klingebiel sagte, es müsse Entscheidungen darüber geben, was Kommunen sich noch leisten wollten und könnten, und Scholz stellte klar: "Die Versorgung in der Fläche mit Arzt, Post, Supermarkt, Sparkasse et cetera kann nur über die Konzentration auf Zentren funktionieren. Sonst geht sie kaputt."