Menschen mit Behinderungen haben eine Skulptur aus Granit entworfen. Heute wird sie in Scharnebeck enthüllt. Freude über Mitgestaltung.

Scharnebeck. Wenn Samtgemeindebürgermeister Laars Gerstenkorn heute Nachmittag die Granit-Skulptur vor der Domäne Scharnebeck enthüllt, dann wird Gudrun Baum der Öffentlichkeit stolz präsentieren, was sie und acht weitere Menschen mit Handicap entworfen haben. Heute gehört ihnen die Aufmerksamkeit - am Gleichstellungstag für Menschen mit Behinderung.

"Dass wir mit unserer Arbeit nun das Gesamtbild der Stadt mitgestalten können, freut uns sehr", sagt Ekaterina Dorka. Sie leitet den Freizeitkursus zur künstlerischen Gestaltung für Menschen mit Handicap, in dem die Skulptur entstanden ist.

Das Erfahren mit allen Sinnen steht im Mittelpunkt der gemeinsamen Arbeit. "Wir basteln, bauen und gestalten mit ganz verschiedenen Stoffen - Papier, Holz oder Glas. Das riecht alles unterschiedlich und fühlt sich unterschiedlich an", sagt sie. Das ist es, was Gudrun Baum reizt. Sie ist halbseitig spastisch. "Links ist meine starke Seite. Bei vielen Tätigkeiten bin ich aber auch auf meine rechte Hand angewiesen. Manchmal hole ich mir dann Hilfe, aber bei der künstlerischen Gestaltung trainiere ich meine Nerven, indem ich versuche, auch meine unkontrollierte Seite zu benutzen und zu erfahren."

Vor zwei Jahren, zum 500-jährigen Bestehen der Domäne Scharnebeck, beschlossen Laars Gerstenkorn und Ekaterina Dorka, die Einfahrt zum historischen Gutshof mit einem Kunstwerk zu schmücken und bei der Entwicklung der Skulptur die Teilnehmer aus Dorkas Freizeitkursus einzubeziehen.

Diese Arbeit übernimmt die Rentnerin zu großem Teil ehrenamtlich. Nachdem die gebürtige Ungarin bereits Kunst und Sport auf Lehramt studiert und an einer Sonderschule in Siebenbürgen gearbeitet hatte, ging sie später in Lüneburg wieder an die Universität. Dort studierte Ekaterina Dorka Gesundheitswissenschaften und war anschließend 18 Jahre für Behindertenprojekte in der Region tätig.

Als Rentnerin ist sie noch immer engagiert, wenn es um das Thema Inklusion geht. "Es freut mich besonders, dass die Beteiligten meiner Freizeitgruppe etwas entworfen haben, das bestehen bleibt und für jeden sichtbar ist."

Zu Beginn der Arbeit an der Skulptur für die Domäne Scharnebeck stand die theoretische Auseinandersetzung mit arabischen und römischen Zahlen. "Der Buchstabe D steht dabei für die Ziffer 500 und er ist gleichzeitig der Anfangsbuchstabe für die Domäne. So sind wir auf die Idee gekommen, diesen Buchstaben als Skulptur zu bauen", sagt die Pädagogin. Im Laufe der Zeit näherten sich die Teilnehmer dem Entwurf über malen und zeichnen auf Papier und schließlich auf Pappe. "Wir haben die Abbildungen ausgeschnitten und zu dreidimensionalen Figuren geformt. Das war wichtig für die haptische Erfahrung der Materialien", sagt Dorka.

Im nächsten Schritt fertigten sie eine Vorlage der Skulptur in Originalgröße aus Holz an. Anschließend gingen Profis ans Werk. Der dunkelrote Stein für die Skulptur wurde aus Schweden importiert und von einem örtlichen Steinmetz bearbeitet. Auch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Farben habe bei der Gestaltung eine Rolle gespielt, sagt Dorka. "Letztendlich haben wir uns für den schwedischen Granit entschieden, weil das Rot gut zu den Backsteinen der Domäne passt."

Für Samtgemeindebürgermeister Gerstenkorn hat der glänzende Stein eine Signalwirkung. "Bei dem hohen Alter von 500 Jahren halten die Feierlichkeiten für den Gutshof natürlich eine Weile an. Deshalb freuen wir uns auch zum 502. Geburtstag noch über die Skulptur. Ebenso wichtig ist aber der dauerhafte Denkmalcharakter, der durch die gemeinsame Erarbeitung von behinderten und nicht behinderten Menschen das Konzept der Inklusion verkörpert."

Die Kosten für die Gemeinde sind gering: Lediglich einige Arbeitsstunden zur Erstellung des Sockels müssen aus der Gemeindekasse bezahlt werden.

Der Löwenanteil der knapp 7000 Euro, die das Projekt gekostet hat, besteht aus Spenden von mittelständischen Unternehmen und Privatpersonen aus der Region. Gerstenkorn sagt: "Auch das ist ein Zeichen der Anerkennung für die gemeinsame Arbeit von Menschen mit und ohne Behinderung. Deshalb ist es uns wichtig, an diesem Tag, an dem Inklusion im Mittelpunkt steht, dieses Engagement zu würdigen, indem wir die Skulptur öffentlich einweihen."