Zwei Expertinnen beantworten zehn Fragen zum niedersächsischen Hundegesetz

Daerstorf. Auf die Hundehalter in Niedersachsen kommen zusätzliche Pflichten zu: Der Niedersächsische Landtag verabschiedet heute eine neues Hundegesetz. Das Abendblatt sprach mit den beiden Hundetrainerinnen Kerstin Richters und Tanja Jäger von der Hundeschule "Hundsgenau" in Daerstorf über Stärken und Schwächen der Gesetzesnovelle. Zehn Antworten, die jeder Hundehalter wissen sollte:

Warum erlässt Niedersachsen überhaupt ein neues Hundegesetz?

Die Landesregierung will den Tierschutz verbessern und die Bevölkerung vor Beißattacken schützen. Manche Halter quälen ihre Hunde aus Unwissenheit oder lauter Liebe zu Tode. "Mit dem Gesetz will das Land darauf hinwirken, dass Menschen ihre Hunde artgerecht halten", sagt Kerstin Richters.

Was passiert, wenn ein Hund "auffällt", also sich aggressiv zeigt?

Das ist bereits in dem geltenden, "alten" Hundegesetz geregelt. Wird ein Halter beim Veterinäramt angezeigt, soll ein Tierarzt der Behörde den Hundebesitzer aufsuchen. Nicht selten stellt sich eine Anzeige als Fehlalarm heraus: Der Hund ist gar nicht "auffällig", ein Nachbar fühlte sich nur durch Bellen gestört. Hält der Veterinär das Tier tatsächlich für "auffällig", kann er unter Auflagen das Halten dennoch erlauben.

Hilft das Gesetz gegen im Milieu herangezogene "Kampfhunde"?

Wohl nicht. Verantwortungslose Tierhalter, die ihren Hund bewusst zu aggressivem Verhalten erziehen und als Prestigeobjekt missbrauchen, werden sich nicht beeindrucken lassen. Das Gesetz zielt auch gar nicht auf die wenigen Milieutäter ab. "Es bringt den Ersthundebesitzern mehr Sicherheit im Umgang mit ihrem Tier."

Was ist das Neue an dem Hundegesetz in Niedersachsen?

Halter werden verpflichtet, ihr Tier mit einem elektronischen Chip kennzeichnen zu lassen, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen und einen Sachkundenachweis zu erbringen.

Was bedeutet "Chippen" und wie viel Zeit haben Halter dafür?

Das Gesetz sieht vor, dass Hunde an der linken Schulter mit einem elektronischen Chip, winzig wie ein Reiskorn, gekennzeichnet werden müssen. Für viele Besitzer, insbesondere von Rassehunden, ist das Chippen längst üblich. In vielen Urlaubsländern im Ausland gilt die Chippflicht bereits seit Längerem. Der Chip mit einer 15-stelligen Erkennungsnummer enthält Angaben zum Hund und Personalien seines Halters. Wer die Daten registriert, hat der Gesetzgeber noch nicht geregelt. Denkbar ist das private Tierregister Tasso oder ein staatliches Register beim Landwirtschaftsministerium in Hannover. Der Gesetzgeber gibt Hundehaltern ein halbes Jahr Zeit zum Chippen. Dabei kann ein junger Hund schon viel früher jemanden Bisswunden zufügen oder weglaufen und einen Unfall verursachen. Deshalb, kritisiert Kerstin Richters, müssten junge Hunde viel früher den Chip erhalten.

Ist die Haftpflichtversicherung für Hunde denn unbedingt nötig?

Bisher ist sie freiwillig, mit dem neuen Gesetz wird sie zu Pflicht. Kerstin Richters hält die gesetzlich vorgeschriebene Versicherungssumme, 500 000 Euro für Personenschäden und 250 000 Euro für Sachschäden, für zu gering, um ausreichenden Versicherungsschutz zu bieten. Ein Gewinner des neuen Hundegesetzes sind aber dennoch zweifelsohne die Versicherer.

Muss jeder Hundehalter den "Hundeführerschein" machen?

Nein, befreit von der Pflicht zu dem Sachkundenachweis ist jeder Hundehalter, der in den vergangenen zehn Jahren einen Hund mindestens zwei Jahre lang ununterbrochen gehalten hat. Betroffen sind also vor allem Neu-Hundehalter. Das Gesetz sieht ferner zahlreiche Ausnahmen vor: Tierärzte, Jäger und gewerbsmäßige Züchter.

Was eigentlich wird beim "Hundeführerschein" geprüft?

Diese Frage bleibt der Gesetzgeber bisher schuldig. Einen Fragenkatalog muss der zuständige Agrarausschuss des niedersächsischen Parlaments erst noch entwickeln. Sicher ist, dass der Hundehalter eine theoretische und eine praktische Prüfung ablegen muss. "Wie zeigt ein Hund, dass er Stress hat?" oder "Wie sollte man einen Hund führen?", das sind Fragen, die in einem Multiple-Choice-Test auf einen Hundehalter zukommen dürften. Offen ist, welche Aufgaben auf Halter und Vierbeiner beim Praxistest erwarten. Die Hundetrainerinnen Kerstin Richters und Tanja Jäger empfehlen eine abgespeckte Version des Führerscheins im Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV). Dieser betone besonders das Zusammenspiel des Menschen mit seinem Hund im Alltag.

Wer nimmt die Prüfung für den "Hundeführerschein" ab?

Auch das hat der Gesetzgeber noch nicht geklärt. Vermutlich werden Hundeschulen den Sachkundenachweis abnehmen. Möglich wäre aber auch, dass Tierärzte oder Verhaltensberater diese Rolle übernehmen. Ein Problem ist, dass nahezu jeder ein Gewerbe als Hundetrainer oder Verhaltensberater anmelden darf. Kritiker fragen: Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure? Kerstin Richters schlägt vor, dass Hundeschulen, die einen Berufsverband angehören, den Sachkundenachweis abnehmen sollten. Sicher ist: Hundehalter müssen vom 1. Juli 2013 an ihr Wissen über ihr Tier nachweisen.

Welche zusätzlichen Kosten kommen auf den Hundehalter zu?

Etwa 50 Euro für das Chippen, 50 bis 150 Euro im Jahr für eine Versicherung und wohl 200 Euro für den "Hundeführerschein".