Der Landgasthof an der Neetze war Jahrzehnte lang ein beliebtes Ausflugsziel - doch jetzt droht dem Lokal das Aus

Echem. Im "Freistaat Fischhausen", einem idyllisch am Flusslauf der Neetze gelegenen Landgasthof im Westen Echems, neigt sich eine Ära dem Ende entgegen. Vor drei Jahren feierte die Gastronomin Ingelore Lietz eine kleines Jubiläum: 25 Jahre leitete sie den Familienbetrieb, eines der beliebtesten Ausflugsziele im Umland Lüneburgs. Heute weiß sie: "In dieser Form ist das Haus nicht mehr weiterzuführen."

Einst lebten vier Generationen unter dem Dach des reetgedeckten Bauernhauses, das mit den dazugehörigen umfangreichen Ländereien 1859 in den Besitz der Echemer Familie Dittmer überging. "Es wäre schade, wenn Fischhausen damit enden würde, dass wir die Türen hinter uns abschließen. Deshalb suchen wir einen Nachfolger, der die Tradition weiterführt", sagt Günter Woldt, Partner von Inhaberin Lietz. Seit 22 Jahren ist der gelernte Bootsbauer aus Hamburg mit im Geschäft.

Gelegen am Radwanderweg Alte Salzstraße zwischen Scharnebeck und Echem, hat der historische Landgasthof einiges zu bieten. Der Weg hin zum "Freistaat" führt durch 77 000 Quadratmeter Naturanwesen: Wiesen und Laubwald durchsetzt mit Gräben und Teichen. Erstmals leuchtete 1966 eine Glühlampe auf dem Eiland der Einsamkeit. Seitdem fließ Strom, seitdem klingelt auch das Telefon.

"Beim Licht von Gaslaternen saß die Familie Dittmer abends in der großen Stube, wo Netze geknüpft wurden und Butterfass und Spinnrad noch in Gebrauch waren wie vor 100 Jahren", schreibt der Echemer Dirk Krause über Fischhausen. An die Zeit der Isolierung erinnert scherzhaft das Ortsschild in der Hofeinfahrt "Freistaat Fischhausen - steuerfreie Zone".

Fischhausen ist aber ein Idyll geblieben, an das der Rest der Welt den Anschluss gefunden hat. Radler, Wanderer, Angler und Kanufahrer kehren gern im ehemaligen Fischerhaus ein. Osterfeuer, Vatertag und Altbierfest ziehen regelmäßig Hunderte Gäste an.

Das Areal gehörte ehedem zum Kloster Scharnebeck. Nach dessen Auflösung gingen die zu Fischhausen gehörenden Fischereirechte an das braunschweig-lüneburgische Amt Scharnebeck über und wurden verpachtet. 1859 erhielt die Familie Dittmer nicht nur die Fischereirechte, auch die Eigentumsrechte an den Fischhausener Ländereien. Ingelore Lietz verpachtete Fischerei und Land und investierte dafür in die Gastronomie. Zu Fischhausen gehören neben dem Gasthaus, zwei Wohnhäuser, eine Campingplatz und Scheunen.

"Investitionen sind weiter notwendig", sagt Günter Woldt mit Blick auf einen möglichen Nachfolger. "Aber auf dem Gelände ist auch vieles möglich. Beispielsweise alles rund ums Pferd oder Live-Musik im Außenbereich." Nachbarschaftsprobleme? Die gibt es nicht - Echem als nächste Ortschaft liegt zwei Kilometer entfernt.

Mit dem Verkauf von Flaschenbier in den 60er-Jahren ging es los. Dankbare Kunden waren der Erbauer des Elbe-Seiten-Kanals. Gern erinnert sich Hans-Georg Führinger, ein Schulfreund von Ingelore Lietz, an die vergangene Zeit. "Als Kinder sind wir durch die Wiesen gezogen, haben uns in Fischhausen Eis und Brause gekauft", sagt der Scharnebecker Bürgermeister.

Bedauern würde er einen Verkauf des Kleinods, wenn dabei der Betrieb des Landgasthofes auf der Strecke bliebe. Fischhausen besitze ein besonderes Flair, das die Gäste zu schätzen wüssten, neben der bodenständigen Küche mit den beliebten Fischgerichten. Führiger kennt und nennt die Probleme der Branche. Banken seien mit Krediten zögerlich, weil Misserfolge in der Gastronomie keine Seltenheit sind. Seit Jahren steht in Scharnebeck das ehemalige Restaurant "Schweizer Hof" leer. Die Preisvorstellungen des Inhabers seien hoch, nachdem er viel in das Anwesen investiert habe, so der Bürgermeister. "Doch wie viel Bier, Aale und Bratkartoffel-Portionen müssen pro Tag erwirtschaftet werden, um einen großen Betrieb finanzieren zu können?", fragt Führinger im Hinblick auf die Anforderungen an einen möglichen Betreiber.

Fischhausen wird getragen von der Tradition, der attraktiven Lage und dem soliden Ruf. So treibt Ingelore Lietz nicht die Not zum Verkauf - sie kann in Ruhe auf den richtigen Käufer warten.