Lüneburger Uni und Initiative Jesteburg haben ein Modell für die Klassen eins bis zehn entwickelt

Lüneburg/Jesteburg. Wenn das Land Niedersachsen grünes Licht gibt, kann in Jesteburg Deutschlands erste staatliche "Leuphana Campus Schule" an den Start gehen. Vier Professoren der Lüneburger Leuphana Universität und die Jesteburger Schulinitiative haben gemeinsam mit der Schulleitung der Grundschule in Jesteburg die Modellschule entwickelt. In dieser Schule werden Kinder von der ersten bis zur zehnten Klasse unterrichtet. In dem jahrgangsübergreifenden Unterricht werden die Schüler ganz individuell gefördert. Besonders begabte Kinder könnten so theoretisch die vierjährige Grundschulzeit schon in drei Jahren absolvieren, ohne dass sie ihren vertrauten Klassenverband verlassen müssten.

Ab der dritten Klasse bekommen die Schüler ihre eigenen sogenannten Kompetenzraster-Bögen. Mit diesen Formblättern hat jedes Kind und haben auch dessen Eltern einen genauen Überblick über den eigenen aktuellen Leistungsstand. Jeder Schüler weiß damit, wo seine Stärken und wo seine Schwächen liegen. Die neue Schule mit eigener Leitung würde in enger Kooperation mit der bestehenden Grundschule arbeiten und könnte, wenn alles gut läuft, schon im Sommer 2011 den Schulbetrieb mit drei fünften Klassen aufnehmen.

Jahrgangsübergreifender Unterricht ohne sitzen bleiben

Nach der zehnten Klasse können die Schüler dann entweder auf das Gymnasium beziehungsweise Fachgymnasium wechseln oder eine Ausbildung machen. Ziel ist es, dass jedes Kind den erweiterten Realschulabschluss absolviert. Dank des jahrgangsübergreifenden Unterrichts bekommen lernschwächere Kinder dafür mehr Zeit, ohne dabei die Niederlage des Sitzenbleibens in Kauf nehmen zu müssen.

"Diese Komponente haben wir von der Jesteburger Grundschule übernommen, die dieses Modell schon seit mehreren Jahren mit großem Erfolg durchführt", sagt Nathalie Bögel aus Jesteburg. Bögel, selbst Mutter dreier Kinder, CDU-Ratsfrau und Mitbegründerin der Jesteburger Schulinitiative, ihre Mitstreiter Steffen Burmeister und Karl-Heinz Glaeser arbeiteten seit mehreren Monaten an dem Konzept für die Modellschule, nachdem die Jesteburger im letzten Sommer mit ihrer Forderung nach einer Integrierten Gesamtschule (IGS) für Jesteburg am Kreistag scheiterten. Damals hatte sich die politische Mehrheit für eine erste IGS in Buchholz entschieden. Die Jesteburger, einzige Samtgemeinde im Landkreis Harburg ohne eigene weiterführende Schule, waren aus dem Rennen. Schon im Sommer kündigte die Schulinitiative einen neuen Vorstoß in Sachen Modellschule an.

"Wir sind mit unseren Ideen dann zur Leuphana Universität gegangen, die für ihre modernen Ansätze in der Lehrerausbildung bekannt ist, und stießen bei den Professoren gleich auf großes Interesse an unserer Schulidee", sagt Bögel. Dann folgten mehrere intensive Gespräche, die in der Gründung eines Workshops mündeten. Nathalie Bögel: "Wir sind bei unserer gemeinsamen Arbeit an einem Schulkonzept zu der Erkenntnis gekommen, dass für beide Partner unserer Campus-Schule eine echte Win-Win-Situation entsteht. Schule und Schulleitung stehen in direktem Kontakt mit der Forschung. Andererseits haben Lüneburger Referendare hier in Jesteburg die Möglichkeit, in engem Kontakt mit ihrer Uni an einer äußerst zukunftsweisenden und modernen Schule zu arbeiten."

Neben dem "wirklich herausragenden Konzept" biete das Modell noch einen weiteren, Zukunft entscheidenden Vorteil, glauben die Initiatoren. Bögel: "Im Zuge des demografischen Wandels und rückläufiger Geburtenzahlen sind zunehmend mehr weiterführende Schulen gerade im ländlichen Bereich Niedersachsens von der Schließung bedroht. Das führt zu einer zunehmenden Zentralisierung des Schulangebots und einer weiteren Gefährdung wohnortnaher Beschulung in der Fläche. Mit unserem Modell lassen sich Schulstandorte erhalten, idealerweise sogar in vorhandenen Räumen."

Die geplante Dreifeld-Halle wird nicht gebraucht

Genau dieser Idealfall trifft auf Jesteburg zu. Wenn, wie zu erwarten, die Außenstelle der Hittfelder Realschule im Sommer für immer die Tore schließt, stünden die Räume zur Verfügung. Und die Samtgemeinde könnte mit Anbau-Lösungen weiteren Platz schaffen. Zudem würde die große Dreifeld-Sporthalle, die die Samtgemeinde bauen will, in der Größe gar nicht mehr gebraucht. Es würde Geld für den Schulbau frei.

Auch wenn die Entscheidung darüber, ob in Jesteburg diese neue Schule als deutschlandweite Modellschule ihre Arbeit aufnehmen kann, beim Kultusministerium des Landes Niedersachsen liegt, muss der Landkreis Harburg die Schule in Hannover beantragen. Aber im Kreistag scheint schon die erste Hürde genommen zu sein. Der Kreisverwaltung in Winsen liegen bereits zwei Anträge für den Schulausschuss von der Mehrheitsgruppe von CDU und FDP vor. Zum einen beantragen die beiden Kreistagsfraktionen die Prüfung des Standortes Winsen als zweiten Standort für eine IGS. Zum anderen wollen CDU und FDP die Kreisverwaltung damit beauftragen, "bis zur Kreistagssitzung im Oktober 2010 mit der Landesschulbehörde und Jesteburg den Bedingungsrahmen für die 'Modellschule Jesteburg' abzuklären."

SPD und Grüne im Kreistag haben signalisiert, die Modellschule für Jesteburg unterstützen zu wollen. Nathalie Bögel: "Bei der Vorstellung unseres Konzeptes haben wir durchweg positive Reaktionen erhalten, sowohl von CDU und FDP als auch von SPD und Grünen. Unser Konzept ist an keine Ideologie gebunden, sondern auf die besten Entwicklungsmöglichkeiten für Schüler, Schule und Gemeinde ausgerichtet."