Seit 1986 feilt Jens Flechtner an seinem Style und setzt sein Können inzwischen als Wanddesigner ein

Lüneburg. Für die einen sind die bunten Bilder auf öffentlichen Flächen Schmierereien und Vandalismus, für die anderen sind Graffiti Kunst. Für Jens Flechtner bedeutet das Sprühen vor allem Selbstverwirklichung: "Graffiti sind mein Leben."

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Der 39-Jährige sprüht seit 24 Jahren unter dem Synonym "Trica186". Die Zahlenkombination steht für das Datum seines ersten Graffito, im Januar 1986. Der Lüneburger konzentriert sich auf "Style Writing": Basis seiner Werke bilden die Buchstaben und Zahlen seines Synonyms.

"Das Ziel ist eine möglichst häufige Verbreitung des Namens", sagt Flechtner. Die Ästhetik stehe dabei allerdings stark im Vordergrund. "Man braucht schon seinen eigenen Style", sagt der Graffiti-Künstler. Sonst gäbe es auch keine Anerkennung von anderen Szenemitgliedern. Auch er selbst habe jahrelang an "seiner" Schrift gefeilt, sprüht am liebsten im "Semi Wild Style". Nicht immer gingen seine zahlreichen Graffiti mit den gesetzlichen Vorschriften einher, denn das Bemalen öffentlicher Flächen wie Brücken ist verboten. "Für mich sind das seelenlose Dinge, warum ihnen nicht ein wenig Farbe einhauchen und sie verschönern?", fragt der Mann, der eben aus diesem Grunde schon die eine oder andere Geld- oder Bewährungsstrafe in seinem Lebenslauf stehen hat.

Allerdings, betont Flechtner, würde er nie ein "Piece", so heißt ein großflächiges Graffito im Fachjargon, auf privates Eigentum setzen. Es sei denn, er hat den Auftrag dazu. Denn mittlerweile verdient er seinen Lebensunterhalt als Wand- und Flächendesigner. "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht", sagt der gelernte Maler und Lackierer.

Ganz legal verewigt hat sich Flechtner alias "Trica186" schon auf privaten Garagentoren und Wänden, am Schulzentrum Oedeme der Mauer entlang des MTV-Sportplatzes an der Uelzener Straße und der Diskothek Garage. Letztes Graffito war Teil der von der Leuphana Universität initiierten Street-Art-Ausstellung "ARTotale" im Herbst vergangenen Jahres. "Da war ich der Quoten-Lüneburger", sagt Flechtner und lacht. Gemeinsam mit zwei befreundeten Sprayern habe er die Stirnseite des Gebäudes verziert.

Noch heute prangen die Figuren in bunten Farben auf dem Mauerwerk. Wenn er die Gelegenheit zum Austausch mit anderen auch gerne wahrgenommen habe, viele Gemeinsamkeiten habe er zwischen sich und den Street-Art-Künstlern nicht entdecken können. Und so richtig Graffiti sei das, was die machen, ohnehin nicht. Dazu war die Aktion dem bodenständigen Sprayer dann doch ein wenig zu abgehoben. "Man darf nie vergessen, wo man herkommt", sagt Flechtner. Geburtsort der Graffiti-Kunst sei nun mal die Straße, ähnlich wie Rap-Musik.

Tatsächlich ist das Graffiti-Writing in der HipHop-Kultur ein wesentliches Element. Mit der Sprühdose "bewaffnet" sollen Konflikte auf künstlerischer Ebene ausgetragen werden. "Es ist eine Sub-, eine Gegenkultur, die es mittlerweile eben auch über die Werbebranche in unsere Haushalte geschafft hat", sagt Flechtner. Die Graffiti-Kunst stehe in der Tradition der abstrakten Malerei, der Kalligrafie und der Comic-Ästhetik.

Einige Graffiti-Künstler sind heute weltweit anerkannt, stellen ihre Werke in renommierten Galerien aus. Andere, wie Jens Flechtner, setzen ihre gestalterischen Erfahrungen in der Design- oder Werbebranche ein. "Reich werde ich damit nicht, aber ich mache etwas, das mich erfüllt", sagt der 39-Jährige. Dafür stapeln sich etwa 800 bis 900 Sprühdosen mit unterschiedlichen Farbtönen in seiner Garage.

Demnächst hofft er, sein Können in einer Unterführung der Bahngleise in Bardowick einsetzen zu können. "Mit etwas Glück bekomme ich den Auftrag der Gemeinde und kann in zwei Wochen starten." Ob es ein Objekt gäbe, das ihn besonders reize? "Am liebsten würde ich schon mal einen Zug in New York gestalten. Aber das soll, habe ich mir sagen lassen, ja illegal sein."