Wentorf/Reinbek. Werner Budesheim war ein „Bildungsbürger“. Er wollte die Wissenschaft aus ihrem Elfenbeinturm holen – mit Erfolg. Nun ist er gestorben.

Es war unter anderem sein Blick über den Brillenrand hinweg, der so typisch für ihn war: verschmitzt und gleichzeitig forschend. Viele im Raum Wentorf und im Lauenburgischen werden diesen Blick künftig vermissen, denn Dr. Werner Budesheim, Bildungsbürger im besten Sinne, ist im Alter von 81 Jahren verstorben.

Der promovierte Geograf hinterlässt eine große Lücke: Vor gut 30 Jahren hat er die Freie Lauenburgische Akademie (FLA) gegründet – eine Bildungseinrichtung auf akademischen Niveau für alle Interessierten. Die Vorträge sind kostenlos, werden durch die Tagesexkursionen und die Beiträge der etwa 250 Mitglieder finanziert.

Werner Budesheim wollte die Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm holen

Dem Oberstudienrat, der unter anderem 13 Jahre am Gymnasium Wentorf unterrichtet hatte und viele wissenschaftliche Publikationen für die FLA herausgebracht hat, war es wichtig, die Wissenschaft aus ihrem Elfenbeinturm zu holen. Die Vorträge über Themen aus den Bereichen Archäologie und Kunstgeschichte, Siedlungsgeografie, Vor- und Frühgeschichte, politischer Wissenschaft, Industriearchäologie, Ökologie sowie Literatur und Kultur sollten interessierte Laien ebenso ansprechen wie Experten.

„Er war ein herzensguter, ganz toller intelligenter Mann“, sagt Sybille Marks, Mitgründerin der Wentorfer Kulturwoche und Schriftführerin der FLA. „Es ist wirklich ein großer Verlust. Werner Budesheim war humorvoll. Schlecht gelaunt habe ich ihn nie erlebt. Sein Herz hing daran, dass alles funktionierte und dass es allen gut ging. Eigentlich war er die FLA.“

Hanseatische Bescheidenheit kombiniert mit Freude an der Arbeit

Prof. Martin Pries, erster stellvertretender Vorsitzender der FLA, erinnert sich: „Werner Budesheim war ein sehr korrekter und kompetenter Mann, dabei hat er nie den Vorsitzenden herausgekehrt, sondern einfach in hanseatischer Bescheidenheit seine Arbeit gemacht. Die hat ihm viel Spaß gemacht, er hatte ein großes Talent zum Organisieren und einen großen Stab an hochkarätigen Referenten.“

1986 sei er vom damaligen Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, Uwe Barschel (CDU) zum Aufbau und zur Leitung einer wissenschaftlichen Akademie in Mölln berufen worden, berichtet Pries. „Mölln war als Stadt 1359 an Lübeck verpfändet worden“, weiß Martin Pries. Damals sei der Stadthauptmannshof gebaut worden und für dieses historische Gebäude habe man in den 1980er-Jahren eine Verwendung gesucht und mit der Lauenburgischen Akademie gefunden.

Ansteckende Begeisterung für längst vergangene Zeiten

Doch nach dem Tod Uwe Barschels und der politischen Wende war das erfolgreiche Modell nicht mehr gefragt. Deshalb bewarb sich Werner Budesheim 1990 zurück in den Schuldienst und wurde Leiter des Lübecker Gymnasiums Ernestinenschule. 1991 gründete er in Eigeninitiative die Freie Lauenburgische Akademie.

Die Unabhängigkeit der FLA habe ihm viel bedeutet. „Er war stolz darauf, ohne öffentliche Zuschüsse auszukommen“, weiß Pries. Die einzige Unterstützung der Gemeinde sei ein Mietzuschuss gewesen, der dem Verein später auch noch gestrichen worden war.

Seine ansteckende Begeisterung für längst vergangene Zeiten weitertragen, das konnte er. Wentorfs Alt-Bürgermeister Holger Gruhnke, Mitglied des FLA-Beirats, ist traurig und erzählt: „Ich verdanke Werner Budesheim meine Liebe zu Venedig. Ohne ihn wäre ich dort nie hingekommen und durch ihn habe ich dort wirklich gelernt, die Geschichte und Kultur hinter den Dingen zu sehen.“

Eine Scherbe wurde durch ihn spannender Zeitzeuge

Selbst eher trockenen, geschichtlichen Objekten konnte er Leben einhauchen. So hat Budesheim eine langobardische Scherbe einmal als seinen „größten Glücksfund“ bezeichnet. Pflichtbewusst hatte er sie dem Landesamt für Denkmalschutz gemeldet. Da er die passende Geschichte dazu zu erzählen wusste, wurden derartige einfache Tonscherben zu spannenden Zeitzeugen.

Einige der Scherben etwa, die er auf einem Acker im Lauenburgischen gefunden hat, waren einst ein verzierter Kochtopf. „Die Menschen haben um 1100 vor Christus eine Kuhle in den Acker gemacht, Holz und Kohle hinzugefügt und ihn ordentlich durchglühen lassen – bei geschätzt 600 Grad“, hatte er erläutert und damit Einblicke in die Vergangenheit ermöglicht.

Die Zukunft der Akademie ist unklar

Wie die Akademie ohne ihren Gründer weiterarbeiten wird, ist noch unklar. Prof. Thomas Schramm, zweiter stellvertretender Vorsitzender, ist sich mit dem ersten Vize Pries einig: „Wir können uns im Moment nicht vorstellen, wie es mit der Lauenburgischen Akademie weitergehen soll.

Denn Werner Budesheim hinterlässt so große Fußstapfen, dass sie für uns drei zusammen zu groß sind. Die Zukunft der Akademie hätten wir gern mit ihm zusammen geplant.“ Die Mitglieder werden Mitte Februar 2023 auf einer Versammlung darüber entscheiden, wie es nun ohne Werner Budesheim weitergeht.

Trauerfeier auf dem Waldfriedhof

Für seine Verdienste hat Werner Budesheim im Jahr 2013 von dem damaligen Ministerpräsidenten Torsten Albig das Verdienstkreuz am Bande erhalten. Ohne sein Team und ohne seine Familie sei es ihm nicht möglich, diese Aufgabe wahrzunehmen, hat der FLA-Vorsitzende damals bescheiden gesagt.

Dr. Werner Budesheim ist jetzt im Alter von 81 Jahren gestorben. Er wird am Donnerstag, 22. Dezember, im engsten Kreis der Familie auf dem Waldfriedhof Neuschönningstedt beigesetzt. Die vorherige Trauerfeier in der Kapelle beginnt um 13 Uhr.