Bildungsministerium stellt zentrale Landesförderung ein - Internat an der Golfstraße wird geschlossen

Seit mehr als 50 Jahren haben in der Sprachheilschule an der Golfstraße Kinder das Sprechen gelernt oder neu gelernt - zu Hochzeiten etwa 100 bis 120 Schüler pro Jahr. "Ich bin schon seit fünf Jahren hier an der Schule", erzählt der Viertklässler. Ihm gefällt es gut am Landesförderzentrum Sprache mit angeschlossenem Internat in Wentorf. Nur eines bedauert der Steppke: "Zuerst waren wir ganz viele Kinder. Jetzt sind wir leider nur noch 19." Das liegt nicht an der mangelnden Nachfrage für die Schule, sondern daran, dass sie jetzt geschlossen wird. Dass der Elfjährige sich klar äußern kann, ist ihr Verdienst und das seiner Lehrer.

So wie bei Julian: Der Elfjährige aus Schretstaken hat erst zwei Jahre ein reguläre Grundschule besucht, bevor er aufhörte zu sprechen. "Er hat einfach vollkommen dicht gemacht", erinnert sich seine Mutter Maren Bürger an die schwere Zeit. "Für meinen Sohn und mich war das Förderzentrum Sprache ein Segen." Auch wenn ihr Sohn, der morgens früh zu Hause abgeholt und abends wieder gebracht wurde, unter Heimweh litt. "Aber er ist über sich selbst hinausgewachsen, ein selbstbewusstes, offenes Kerlchen geworden", sagt sie nicht ohne Stolz. "Es ist eine Schande, dass die Schule geschlossen wird."

Das sieht auch Uwe Pape so, der von 1974 bis 2003 an der Schule unterrichtete. Gestern besuchte er zum Abschied noch einmal die Schule an der Golfstraße. Er war bundesweit der anerkannte Fachmann in Sachen Stotter-Therapie. "Ich habe Kinder, die komplett verstummt waren, wieder sprechend auf die Füße gestellt", erzählte er. "Ich konnte allen helfen, beispielsweise über Stimmübungen. Das Tolle war, dass man mich damals gelassen hat." Er ist ein Gegner der Inklusion, des gemeinsamen Schulbesuchs von Kindern mit und ohne Handicap. "Das ist eine dogmatische Entscheidung", stellt er fest. "Behinderungen darf es nicht geben, und dabei bleibt das Individuum, das eine Therapie braucht, auf der Strecke."

Das wichtigste aber war das Kollegium: "Wir haben uns zusammengesetzt und konnten voneinander lernen. Heute sind die Lehrer alle Einzelkämpfer, keiner lernt mehr dazu." Ingo Degner, Schulleiter des Förderzentrums Hören in Schleswig, das seit 2010 auch die Sprachheilschule unter ihre Fittiche genommen hat, bestätigt das. Er bekommt täglich Anrufe von Eltern, die ihr Kind am Förderzentrum Sprache anmelden wollen - allein: Er darf keines mehr annehmen. Für den Übergang wurden noch zwei Sprach-Klassen am Förderzentrum Hören in Schleswig eingerichtet. Doch nach den Ferien sollen die Kinder in Schleswig-Holstein nur noch dezentral gefördert werden. Die Lehrer kommen von der Albert-Schweitzer-Schule in Bargteheide, wo auch Kinder mit verschiedenen Handicaps unterrichtet werden.

"Die Inklusion sehen auch wir als unsere Aufgabe", betont Degner. "Aber ich bin auch ein Verfechter von zeitlich befristeten, intensiven Therapiemaßnahmen. Schließlich werden diese Kinder auch gehänselt, sodass dann auch Verhaltensauffälligkeiten hinzukommen, Schulkarrieren mit Lernbehinderungen sind dann vorgezeichnet."

Vier der sechs Lehrerinnen sind schon an andere Schulen versetzt. Auch neun Erzieher und fünf hauswirtschaftliche Kräfte sind bereits in der Nähe untergebracht. Degner ist froh, dass nach anfänglichen Turbulenzen für alle eine harmonische Lösung gefunden wurde.

Die meisten Regale und Räume sind schon leer, noch schmücken lachende Sonnen, gemalt von Kinderhand, die Wände. Doch in den Ecken stehen Umzugskartons, auf denen "schreddern" zu lesen ist. Die Lernmaterialien gehen zuerst nach Schleswig oder an weitere Schulen, die schon angefragt haben. Anfang Oktober hat Ingo Degner die Gebäude besenrein an das Bildungsministerium in Kiel zu übergeben. Ab morgen wird es kein Lachen und kein Rufen mehr in der traditionsreichen Sprachheilschule geben.