Gymnasium: Was haben Haribo, Albert Einstein, Nivea und die Bibel mit dem Judentum zu tun?

Das "Jüdische Museum Berlin on.tour" machte gestern auf dem Schulhof des Gymnasiums Wentorf halt. Drei Museumspädagogen brachten den Schülern große, gepolsterte Ausstellungsmodule in die Eingangshalle mit, über die sie sich schnell in das Thema einarbeiteten. So erfuhren insgesamt 150 Kinder, was Nivea oder Albert Einstein mit dem Judentum zu tun haben oder was koschere Haribo sind. Gleichzeitig liefen in einer achten und einer neunten Klasse Workshops.

"Wir haben uns das Schicksal der Berliner Familie Arndt als Thema ausgesucht", erzählte Enrico Wendrich (14) für seine Arbeitsgruppe. "Das fanden wir sehr interessant. Sie waren Juden und haben sich ab 1942 versteckt und haben sogar überlebt." Eine Ausnahme: Von 10 000 versteckten Juden in Berlin haben nur 900 überlebt. Museumspädagoge Samuel Schidem sensibilisierte sie für weitere Fakten: "Sie haben sich ab 1942 versteckt. Das war außergewöhnlich. Um diese Zeit gab es kaum noch Juden in Berlin. Wisst Ihr, was mit den Juden passiert ist?"

Ein Schüler antwortete: "Sie wurden von den Nazis verfolgt, ins KZ gebracht. Dort mussten sie arbeiten oder wurden umgebracht." Schidem bestätigte: "Richtig, sie kamen ins Konzentrationslager, wo ihnen eine Nummer eingebrannt wurde. Dieser Gedanke allein ist schon schrecklich. Wisst Ihr, nach welchen Kriterien die Nazis diese Ziffernfolge ausgewählt haben? Es ging nach Gewicht und Beruf. Egal, wie man vorher hieß, die Nazis haben die Menschen allein auf ihre Arbeitsfähigkeit reduziert. Man stelle sich vor, Albert Einstein wäre ins KZ gekommen: Es spielte keine Rolle, was man für ein Mensch war."

Die Jüngsten interessierten sich während der Pause vor allem für die Gummibärchen auf dem Tisch im Foyer, die Aufkleber und Postkarten des Museums. Dem Tallit, dem jüdischen Gebetsschal, und der kleinen siebenarmigen Leuchter, der Menora, hingegen schenkten sie wenig Beachtung. Trotzdem hat sich der Besuch des Jüdischen Museums Berlin im Gymnasium gelohnt. "Denn wenn die Kinder und Jugendlichen mit dem Thema Judentum oder Verfolgung während des Nationalsozialismus in Kontakt gekommen sind, interessieren sie sich auch dafür", stellt die Oberstufenschülerin Kaya Prill (18) fest. Diesem Argument und ihrer kreativen Bewerbung hat die Schule das Gastspiel des Jüdischen Museums zu verdanken.

Sie befragte vorab etwa 500 Schüler der Klassen 5 bis 9 nach ihrer Einschätzung über ihr eigenes Wissen zu Judentum und Nationalsozialismus, über ihre Kenntnis des Museums oder einer Synagoge und fragte auch etwas Wissen ab. Die Statistik und ihre Auswertung nahm sie in ihre Bewerbung auf: Mit Erfolg. Jetzt wissen die Gymnasiasten, dass Haribo koschere Gummibärchen ohne Schweinegelatine herstellt, weil alle Paarhufer bei gläubigen Juden als unrein gelten, dass das Weltprodukt Nivea 1911 von den drei Juden Oskar Troplowitz, Isaac Lifschitz und Paul Unna erfunden wurde, und dass Albert Einstein, Schweizer Physiker und Erfinder der Relativitätstheorie, Jude war.

435 Schulen hat das Museum seit 2007 in allen Bundesländern besucht und so etwa 50 000 Jugendliche erreicht. "Jeder Schüler in Deutschland sollte mindestens einmal das Jüdische Museum Berlin besucht haben, bevor die Schule beendet ist", ist das Ziel von Museumsdirektor W. Michael Blumenthal. "Wenn das nicht geht, müssen wir eben zu den Schulen kommen." Finanziert wird die Tour von der Stiftung Jüdisches Museum Berlin und durch Spenden. Kaya Prill war gestern begeistert: "Es ist ein super Projekt. Ich finde es schön, wenn sich die Jüngeren für das Thema interessieren. Es ist ein so wichtiger Teil unserer Geschichte." Sie will jetzt unbedingt einmal das Jüdische Museum Berlin besuchen.