Wentorf. Es ist ihr nicht anzumerken, welche Ängste sie quälen. Sandra Hinz (28) ist nach außen hin eine selbstbewusste, attraktive junge Frau, die voll im Leben zu stehen scheint. Aber der Schein trügt: Sandra kann kein normales Leben führen, keinen Führerschein machen oder in den Urlaub fahren, denn sie schafft es nicht, ihre Panikattacken zu kontrollieren.

Weil sie unfähig ist, sich allein von ihrem Wohnort Wentorf zu entfernen - sie arbeitet dort als Teamleiterin in einem Discounter - hat sie ihre in Schwerin lebenden Eltern seit Jahren nicht besucht. "Ein schreckliches Gefühl, ich vermisse sie so sehr, kann aber nicht über meinen Schatten springen. Und sie kommen nicht zu mir, da sie Hartz-IV-Empfänger sind und kein Geld haben für die Bahn." Sandras Freund Andre (29), der mit ihr zusammenwohnt, gibt ihr Sicherheit, kann aber nur kleine Fortschritte bewirken. "Manchmal probieren wir es, nach Bergedorf zu fahren, aber wenn Sandra sagt, dass sie zurück muss, bleibt mir nichts anderes übrig. Ich will sie nicht unter Druck setzen", sagt er.

Dabei redet die temperamentvolle junge Frau absolut offen über ihre Probleme: "Die Angstzustände haben sich 2002 unmittelbar an meinen mehrwöchigen Drogenentzug angeschlossen", berichtet sie. Auch ihren Hauptschulabschluss konnte sie damals im Osten nicht machen, "weil ich auf Discodrogen wie Ecstasy und Speed stand".

Als nach langer Entzugs-Odyssee und ambulanten Therapien damit Schluss war, wandelte sich Sandras Krisenlage in Richtung Ängste: Eine Behandlung bei einem Spezialisten habe sie noch nicht gemacht, lediglich Verhaltenstherapien über zwei Jahre absolviert. "Aber demnächst gehe ich zu einem Heilpraktiker, hoffe, dass der meine Blockaden löst."

Die meistens aufmunternd gemeinte Aufforderung von anderen Menschen: "Reiß Dich doch mal zusammen, dann klappt das schon", könne sie nicht mehr hören. "So einfach ist das eben nicht", weiß sie. Ihre Erfahrungen und Erlebnisse schreibt sie sich in einem Buch von der Seele.

Um Unterstützung von außen zu erhalten, sich mit anderen Betroffenen über ihre Krankheit auszutauschen und Kontakt-Tipps zu bekommen, welche Ärzte und Einrichtungen Hilfe anbieten, möchte die Wentorferin nun eine Selbsthilfegruppe aufbauen. "Montags würde ich mich gern in der Zeit 20 bis 22 Uhr mit Gleichgesinnten und Leuten regelmäßig treffen, die ihre Ängste bereits im Griff haben."

Einen Gemeinderaum hat Sandra Hinz bereits organisiert. Wer an der Gruppe teilnehmen möchte, sollte sich unter der Telefonnummer (040) 25 48 82 56 mit ihr in Verbindung setzen. Sie hofft, dass sich viele trauen anzurufen: "Ich bin zu allem bereit, denn irgendwann möchte ich das Leben wieder richtig genießen können."