Wentorf. Schon früher war das ein Festtag: Nach dem Besuch von Erich Zimmer gestern sind Speisekammern und Kühlschränke von Herbert Schmidt und seinen Kindern wieder gut gefüllt - mit frischer Mettwurst, Schinken, Blutwurst, Koteletts, Braten, Leberwurst, Sülze und Grützwurst.

Seit 25 Jahren kommt Hausschlachter Erich Zimmer (68) zu Schmidts und verarbeitet zwei Schweine zu deftigen Leckereien. Tierärztin Dr. Barbara Plath ist zufrieden mit der Fleischbeschau: "Man sieht, die Schweinchen haben es gut gehabt", sagt sie, als sie die Hälften und die Organe begutachtet. "Das Fleisch ist dunkelrot und trocken - sie haben keinen Stress gehabt. Außerdem hatten sie Zeit zum Wachsen und ihr ganzes Leben keine Lungenentzündung, wie man an den schieren, glatten Lungen und am Brustkorb erkennen kann."

Ihre Artgenossen neigen sonst zu dieser Erkrankung, werden gewöhnlich innerhalb von vier Monaten mit Schnellmastfutter schlachtreif. Allein der Transport zum Schlachthof stresst sie so sehr, dass ihr Fleisch blassrosa wird und Wasser zieht. Den Schmidt'schen Schweinehälften gibt Plath gern die jeweils fünf Stempel auf Brust, Schulter, Schinken und zweimal auf den Rücken. Den viereckigen Stempel für die Hausschlachtung hat die zuständige Veterinärin nur für den Wentorfer Hof dabei. "Das gibt es ja sonst kaum noch", stellt sie fest.

Erwin Zimmer aber weiß noch, wie es geht. Der 68-jährige Bergedorfer ist eigentlich Rentner, aber von Dezember bis Februar schlachtet er noch elf Schweine, zehn Rinder, mal ein Pferd oder ein Schaf vor Ort. "Das größte Schwein dieser Saison wog lebend 305 Kilogramm - bei Klempnermeister Schröder in Kirchwerder", erzählt er." Gewöhnlich wiegen sie etwa 220 Kilogramm. Zimmer ist vom Fach: Nachdem er in Geesthacht seine Ausbildung absolviert und im Akkord am Hamburger Schlachthof gearbeitet hatte, machte er sich als Hausschlachter selbstständig. Damals mussten unter seinem Beil 160 Rinder und 90 Schweine pro Jahr ihr Leben lassen - aber nicht vergebens: Bis auf die Därme wird nichts weggeworfen. Früher dienten die als Wursthülle, heute nimmt man Kunstdarm.

Das ist nicht das Einzige, was sich seit Landwirt Schmidts Kindheit geändert hat. Der 73-jährige Wentorfer hat schon als kleiner Junge beim Schlachten zugeschaut, später als junger Mann mit angepackt - für ihn selbstverständlich. Er und seine Frau sowie seine erwachsenen Kinder samt Familien verbrauchen alles selbst. "Früher mussten wir teils zu viert ein Schwein festhalten, als es getötet wurde", erinnert er sich. "Heute merkt es kaum etwas davon. Es schreit nicht einmal auf." Zimmer betäubt die Schweine mit der Elektrozange und tötet sie gleichzeitig damit.

Danach werden sie in einer Wanne mit etwa 70 Grad heißem Wasser überbrüht, um die Borsten leichter zu lösen. Der Rest wird rasiert. Dann hängen die Männer die Schweine an den Hinterläufen auf. Zimmer nimmt sie aus und zerteilt sie mit dem Beil in zwei Hälften. Herz, Lungen, Niere und Leber werden für die Fleischbeschau einzeln aufgehängt. Die Lunge lässt sich nicht weiterverwerten, aber das übrige Fleisch muss einen Tag abhängen, bevor es zerlegt und zu Wurst oder zu Schwarz-Sauer verarbeitet werden kann.

Auch der Junior, Rainer Schmidt (41), der den Hof seit 2000 nebenberuflich führt, will an der Tradition festhalten: "Ich habe auch schon mal Fleisch vom Discounter gegessen - ein ganz anderer Geschmack. Bei unserem Schweineschnitzel kann man wenigstens sicher sein, dass es nach dem Braten die Größe behält."