Wentorf. Der “tote Winkel“ im Rückspiegel eines Lkw kostete die 14-jährige Annika P. am 7. Januar 2008 das Leben. Als sie mit ihrem Fahrrad in Wentorf auf dem Radweg die Einmündung Hauptstraße/Berliner Landstraße bei Grün überqueren wollte, wurde sie von einem nach rechts abbiegenden Streufahrzeug seitlich erfasst und überrollt.Annika starb noch an der Unfallstelle, ganz Wentorf war tief betroffen (wir berichteten).

Noch heute liegen frische Blumen an der Unglücksstelle, Kerzen brennen. Gestern wurde vor dem Amtsgericht Reinbek gegen den Lkw-Fahrer Georg W. (54) wegen fahrlässiger Tötung verhandelt.

Er habe die Radfahrerin vor dem Abbiegemanöver in den rechten Rückspiegeln nicht gesehen, beteuerte der Angeklagte. "Ich habe auch noch über die Schulter nach rechts hinten geschaut und sie nicht bemerkt". Georg W. kämpfte bei seiner Aussage mit den Tränen, "nichts ist mehr so wie vorher", sagte er tief erschüttert. Der Lkw-Fahrer musste nach dem Unfall mit einem Schock ins Krankenhaus gebracht werden. In einem Brief sprach er den Eltern des getöteten Mädchens sein Mitgefühl aus. Annikas Mutter, die gestern nicht persönlich anwesend war, bezeichnete den Unfall in ihrer schriftlichen Antwort als eine "Verkettung unglücklicher Umstände ".

Der technische Sachverständige hatte die Unfallsituation in Zusammenarbeit mit der Wentorfer Polizei nachgestellt. Wenn sich die Radfahrerin kurz vor dem Zusammenstoß auf gleicher Höhe mit dem Lkw befunden hat, war sie in den rechten Rückspiegeln und auch beim Blick über die Schulter tatsächlich nicht zu sehen, so der Sachverständige in seinem Gutachten. Vollkommen entlastet war Georg W. damit aber nicht. Er hätte vor dem Rechtsabbiegen anhalten müssen, um einen Zusammenstoß mit einem Fußgänger oder Radfahrer im "toten Winkel" auszuschließen. Tatsächlich aber sei er " auf gut Glück" abgebogen, sagte der Richter.

Insgesamt bewertete das Gericht die Schuld des Lkw-Fahrers jedoch als gering. Das Strafverfahren wurde gegen die Zahlung von 1200 Euro Geldbuße eingestellt. Der Betrag soll der Aktion "Kein Kind ohne Mahlzeit" der Gemeinde Barsbüttel zugute kommen.

Der Richter wies am Ende der Verhandlung darauf hin, dass an dem Streuwagen, der im Auftrag der Gemeinde unterwegs war, nach den Feststellungen des Gutachters der für fast alle Lkw über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht vorgeschriebene seitliche Flankenschutz gefehlt habe. Dieser Flankenschutz soll bei Kollisionen mit Radfahrern oder Fußgängern ein Überrollen verhindern. Ausgenommen von dieser Pflicht sind Fahrzeuge, bei denen die seitlichen Schutzplanken mit dem Verwendungszweck nicht vereinbar seien. Bei einem Streufahrzeug treffe diese Ausnahme kaum zu, meinte der Richter.

* Wentorfs Bürgermeister Matthias Heidelberg wies nach dem Prozess gegenüber unserer Zeitung darauf hin, dass es noch eine Ausnahme von dieser Regel gebe. "Alle Fahrzeuge, die einen Kippaufsatz haben, brauchen keinen Flankenschutz. Das Streufahrzeug hat einen solchen Aufsatz", sagt Heidelberg. Alle Fahrzeuge, die für die Gemeinde im Einsatz sind, seien vom TÜV überprüft und abgenommen (siehe auch rechts) .