Schwarzenbek. Die Hilgers sitzen zu viert in der Stadtverordnetenversammlung Schwarzenbek – für SPD und Grüne. Kann das gut gehen?

Es gab die Förster-Brüder, die gemeinsam in der Fußballnationalmannschaft spielten, Hans-Joachim (SPD) und Bernhard Vogel (CDU) waren als Spitzenpolitiker in unterschiedlichen Parteien aktiv. So weit ist es bei den Hilgers noch nicht – aber: Seit der Kommunalwahl am 14. Mai sind vier Mitglieder der Familie in der Stadtverordnetenversammlung in Schwarzenbek aktiv – in zwei Parteien.

Eigentlich, sagt Vater Nils Hilger, sei seine Tochter schon so gut wie sicher auf der Liste der Sozialdemokraten gewesen. Im Vorfeld der Kommunalwahl 2023 hatte der SPD-Ortsvorstand den 57-Jährigen gebeten, seine Tochter zu fragen, ob sie nicht für die Sozialdemokraten kandidieren möchte. Ein naheliegender Gedanke: Nils Hilger ist ein SPD-Urgestein, auch Ehefrau Susanne (57) ist Mitglied, und Sohn Hauke (22) hatte bereits seine Kandidatur erklärt. Doch dann die Überraschung: Wenige Tage zuvor waren Deike (29) und Schwiegersohn Thilo Winkler den Grünen beigetreten.

Beitritt bei den Grünen war „ganz bewusste Entscheidung“

Das war für beide nicht ganz unproblematisch. Hinter vorgehaltener Hand sein schon mal von Kungelei die Rede gewesen, sagt der 31-Jährige. Doch der Beitritt zur Umweltpartei war für den Projektingenieur und die Lehrerin eine ganz bewusste Entscheidung: „Uns beiden war klar: Wir wollten nicht nur Mitglied werden, sondern uns auch kommunalpolitisch engagieren.“ Bei der Sozialpolitik gebe es Schnittmengen mit der SPD, so Thilo Winkler, für ihn und seine Frau sei jedoch die Verantwortung für künftige Generationen das wichtigste Kriterium für ihre politische Arbeit. Bei der Wahl erreichten die Grünen dann mit 19,7 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis und stellen sieben Stadtverordneten: Auch Deike und Thilo Winkler zogen wie Hauke Hilger über die Liste ein, Nils Hilger gewann als einer von zwei Sozialdemokraten hingegen seinen Wahlkreis direkt.

Bei der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung sitzt Nils Hilger (l.) als stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der ersten Reihe neben SPD-Fraktionschef  Rüdiger Jekubik
Bei der konstituierenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung sitzt Nils Hilger (l.) als stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der ersten Reihe neben SPD-Fraktionschef Rüdiger Jekubik © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Politisch sei es schon immer im Hause Hilger zugegangen, bestätigt Sohn Hauke: „Wir haben regelmäßig die Tagesschau geguckt, konnten immer alles fragen.“ Ein klarer SPD-Kurs habe sich bei ihm damals noch nicht entwickelt, sagt der 22-Jährige: „Das kam erst später.“ Im Vorfeld der Kommunalwahl wurden bei einem gemeinsamen Dänemark-Urlaub die Abläufe und Fallstricke so einer konstituierenden Sitzung besprochen. Sohn Sönke (28), der noch in keiner Partei aktiv ist, musste es stillschweigend ertragen, so Vater Nils. Einig sind sich Hauke Hilger, seine Schwester und sein Schwager, dass der Stadtverordnung frischer Wind durch junge Leute gut tue. „Aber ohne die begleitende Erfahrung kommt man da allein nicht zurecht“, so der 22-Jährige.

Einig in der Förderung von Radverkehr und Kita-Plätzen

Unterschiede gibt es auch im Wahlprogramm: Während die Grünen von der Schulpsychologin bis zur grünen Ausgestaltung der Innenstadt zahlreiche Wünsche formulierten, orientierten sich die Sozialdemokraten pragmatisch am Machbaren. „Unsere Themen sind aber auch richtungsweisende Aussagen, die zeigen, wer wir sind und wohin wir wollen“, so Thilo Winkler. „Wenn wir etwa über Kita-Plätze reden, dann können wir doch gar nicht unterschiedlicher Meinung sein“, weist Nils Hilger auf die Gemeinsamkeiten mit den Grünen und allen anderen Fraktionen hin. Das gelt auch für den Radverkehr in der Stadt: „In Richtung Radverkehr zu denken sollte Aufgabe eines jeden Politikers sein.“ Antwort von Schwiegersohn Thilo: „Da nehme ich dich beim Wort.“

Vater Hilger „dieselt“ zur Arbeit, Schwiegersohn nimmt das Rad

Ein Lastenfahrrad wird dennoch nicht so schnell vor der Haustür von Nils und Susanne Hilger am Emmerstieg stehen, und auch beim Arbeitsweg setzt der 57-Jährige weiterhin aufs Auto – einen Golf TDI mit 140 PS starkem Dieselmotor. „Ich weiß, ich käme auch mit Bussen und Bahn zur Arbeit nach Glinde – aber das ist sehr unkomfortabel und zeitaufwendig“, so der Produktionsleiter. Auch Sohn Hauke nutzt auf dem Weg zur Arbeit in Barsbüttel einen Kleinwagen mit Dieselantrieb. Nicht so Thilo Winkler: Der Projektingenieur fährt täglich mit seinem Gravelbike, eine Mischung aus Rennrad und Mountainbike, zur Arbeit ins nahe Büchen. Nicht so Deike Winkler: Sie nutzt einen Mercedes C-Klasse Kombi älteren Baujahres für den Weg nach Büchen – keinen Diesel, sondern einen Benziner. Zwar gibt es einen gut ausgebauten Schülerverkehr, doch der ist auf die Schüler abgestimmt. „Als Lehrerin muss ich aber schon vor den Schülern vor Ort sein“, so die 29-Jährige.

Gemeinsames Hobby im Hause Hilger: Schauspielerei. Mutter Susanne Hilger und Deike Winkler standen 2022 in der Komödie „Tom, Dick und Harry“ des Theaters Schwarzenbek gemeinsam auf der Bühne.
Gemeinsames Hobby im Hause Hilger: Schauspielerei. Mutter Susanne Hilger und Deike Winkler standen 2022 in der Komödie „Tom, Dick und Harry“ des Theaters Schwarzenbek gemeinsam auf der Bühne. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Kein Streit beim Essen, schließlich ist auch Grünkohl Gemüse

Unterschiede auch bei der Ernährung: „Wir erfüllen jedes Klischee“, schmunzelt Thilo Winkler. Beide essen kein Fleisch, kochen zu Hause vegan und versuchen, unterwegs möglichst auf tierische Produkte zu verzichten: „Was wir beim Fleisch sparen, geben wir auf dem Markt für Gemüse aus.“ Das kommt auch bei Hauke Hilger auf den Tisch: Sein Leibgericht ist Grünkohl – aber mit Kasseler und Kohlwurst. Grillfleisch oder Gulasch sind die Leibgerichte von Nils Hilger – vorzugsweise in Bioqualität: „Aber ich kaufe nicht gezielt Bio-Ware ein“.

In der Stadtverordnetenversammlung sitzen Grüne und Sozialdemokraten nicht nebeneinander – zwischen ihnen sind die Sitzplätze der Mitglieder der Freien Wähler (FWS). Zu Hause sitzen die Familien Hilger und Winkler jedoch zusammen – trotz unterschiedlicher Menüs – und diskutieren weiter über die große und kleine Politik – manchmal kontrovers, aber nie im Streit.