Müssen. 1945 kam Marianne Kurtz als Siebenjährige ins Herzogtum Lauenburg. Ihre Erfahrungen hat sie in einem Jugendroman verarbeitet.

Eine dampfende, dicke Milchsuppe gab es, als Marianne Kurtz mit ihrer Mutter 1945 als Flüchtling nach Müssen kam. Ihre Erinnerungen hat sie im Jugendroman „Kein Tag zum Bleiben“ verarbeitet. Am Freitag, 30. Juni, liest sie in Müssen aus diesem Buch.

800 Kilometer östlich von Müssen liegt die Heimatstadt von Marianne Kurtz. Die ersten siebeneinhalb Jahre ihres Lebens verbrachte sie westlich der masurischen Seenplatte im ostpreußischen Rastenburg, heute Ketrzyn in Polen. „Ihr in Ostpreußen habt vom Krieg überhaupt keine Ahnung.“ So schrieb ihre Tante, die in Berlin Bombenangriffe erlebt hatte. Mariannes Familie tat sich, wie viele andere Menschen, schwer mit dem Gedanken an eine Flucht. Die geliebte Heimat verlassen, das wollte niemand.

Kreis Herzogtum Lauenburg: Flucht führte nicht nach Berlin, sondern nach Müssen

Doch am 23. Januar 1945 stehen auch Marianne und ihre Familie auf dem Bahnhof in Rastenburg, um mit dem Zug zur Tante nach Berlin zu fahren. Fünfeinhalb Wochen später landen sie nicht in Berlin, sondern in Müssen. Ihr Vater war Soldat im Krieg, ihre Mutter wusste lange nicht, ob ihr Mann noch lebte und wo er war. Sie schrieb ihm dennoch unzählige Briefe, die sie nie abschicken konnte.

"Kein Tag zum Bleiben" ist ein autobiografischer Roman von Marianne Kurtz, der in Müssen spielt und 1989 als Jugendbuch des Monats September ausgezeichnet wurde. © Marianne Kurtz | Marianne Kurtz

Diesen Fundus hat Marianne Kurtz 40 Jahre später für ihren Roman „Kein Tag zum Bleiben“ (Ensslin & Laiblin Verlag, Reutlingen, 1989) aufgearbeitet. Zu dieser Zeit war sie in Nordrhein-Westfalen als Lehrerin für Englisch, Deutsch und Geschichte an einer Montessori-Schule tätig. Zeit zum Schreiben blieb da nur in den Ferien, die sie regelmäßig bei ihrer Tante im Büchener Ortsteil Nüssau verbrachte.

Hier begann sie 1985 auch ihre Erinnerungen an die Flucht aufzuschreiben. Die Briefe der Mutter waren die Quelle der Inspiration für ihren Roman. In vielen Gesprächen mit ihrer Mutter konnte sie weitere Details erfahren.

Roman über das Ankommen nach wochenlanger Irrfahrt

Über ihre Ankunft in Müssen, das sie im Roman „Klein-Linden“ nennt, berichtet sie aus der Perspektive eines 15-jährigen Mädchens, das mit seiner älteren Schwester und deren zwei kleinen Kindern ohne die Eltern die Flucht angetreten hatte. Bei einer freundlichen Dame mit grauem Haarknoten, die am Rande des Dorfes ein kleines Haus mit großem Garten bewohnte, fanden die vier Unterschlupf.

Mit einer Milchsuppe durften sich die Flüchtlinge erst einmal stärken. Hier wähnten sie sich in Sicherheit und fanden nach wochenlanger Irrfahrt Ruhe. Doch der Krieg war noch nicht zu Ende. Auch in „Klein-Linden“ fielen noch Bomben, es sollten die letzten sein.

Jugendbuch-Preis für „Kein Tag zum Bleiben“

Für „Kein Tag zum Bleiben“ erhielt sie die Auszeichnung „Jugendbuch des Monats September 1989“ von der „Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur“. Ihr Roman „Die Pflaumenbaumbande“ wurde sogar verfilmt. Insgesamt schrieb Kurtz sieben Kinder- und Jugendbücher. Heute lebt die Autorin in Köln. Sie besucht immer noch regelmäßig ihre mittlerweile 90-jährige Verwandte in Büchen-Nüssau und hält auch den Kontakt zu einer ehemaligen Müssener Schulkameradin.

Als Angelika Asmus, die Mitglied im Förderverein Alte Schule Müssen ist, davon erfuhr, suchte sie den Kontakt zu Kurtz und konnte die heute 85-Jährige für eine Lesung in der Alten Schule gewinnen: in dem Schulgebäude, das Kurtz nach Kriegsende einige Jahre besucht hatte. Die Lesung beginnt am Freitag, 30. Juni, um 17 Uhr am Von-Wachholtz-Weg in Müssen. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.