Schwarzenbek

„Das war damals schon ein mulmiges Gefühl“

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Schwarzenbek.  Hans-Joachim Stribrny war seit einem Jahr Ordnungsamtsleiter, als die Katastrophe in Tschernobyl geschah. „Morgens auf dem Flur hat mir noch ein Kollege irgendetwas von einem atomaren Unfall in der Ukraine erzählt“, erinnert sich der 65-jährige Pensionär an den 26. April 1986.

Er sei dann in sein Büro gegangen, doch im Laufe des Tages überschlugen sich die Meldungen. Stribrny: „Wir haben die Nachrichten verfolgt, uns für Schwarzenbek aber noch gar nichts dabei gedacht. Dann hieß es: Die atomare Wolke zieht Richtung Europa. Drei bis vier Tage später hatten wir hier erhöhte Becquerel-Werte auf den Außenflächen.“ Auf dem Dach des Rathauses befand sich damals eine Sonde, die Strahlungswerte messen sollte. Sie war allerdings für mögliche Unfälle im nahen Kernkraftwerk Krümmel gedacht und sendete ihre Werte auch ausschließlich dorthin. „Unsere Strahlenwerte bekamen wir vom Landrat. Ich wurde damals zum Experten für Becquerel und Sievert“, sagt Stribrny.

Als Ordnungsamtsleiter ließ er die Sportanlagen an der Schützenallee sperren, weil auf dem Rasen zu hohe Strahlenwerte gemessen wurden, und auch der Sand auf den Spielplätzen wurde regelmäßig getauscht. „Der Sand und die Rasenmahd wurde gesondert entsorgt. Doch auch Lebensmittel waren ein Problem: Wir wussten nicht, was die Menschen in ihren Gärten noch ernten können.“ Drei dicke Aktenordner, die mittlerweile ins Archiv gewandert sind, erinnern an diese Zeit.

„Mir hat sich damals ganz stark die Frage gestellt: Was ist, wenn das auch in Krümmel geschieht“, sagt Stribrny. Als Ordnungsamtsleiter wäre er auch für die Evakuierung der Stadt im Falle eines Unfalls in Krümmel zuständig gewesen. „Nach außen haben wir natürlich versucht, Ruhe auszustrahlen“, sagt Stribrny, der heute zugibt, dass ihn damals noch eine ganz andere, persönliche Frage bewegte: „Als Ordnungsamtsleiter hätte ich gemeinsam mit Polizei und Feuerwehr bis zuletzt in der Stadt bleiben sollen – will ich das wirklich? Und wie hätten wir uns überhaupt vor der Strahlung schützten können? Das war damals schon ein mulmiges Gefühl.“

( cus )