Mölln.
Dr. Konstantin von Notz (44) ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und aktuell der Grünen-Spitzenpolitiker mit der größten Medienpräsenz. Im dritten Teil unserer Interview-Serie mit den drei Bundestagsabgeordneten antwortet der Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss und Netzpolitische Sprecher der Grünen unserem Redakteur Marcus Jürgensen auch auf Fragen nach dieser neuen Popularität.

Sie sind derzeit eines der "Gesichter" der Grünen. Wie wirkt sich dies auf Ihre Popularität im Wahlkreis aus?

Ja, man merkt durchaus, dass die eigenen Themen in den Medien verstärkt vorkommen. Zudem mache ich ja weiterhin auch Kommunalpolitik in Mölln, bin dort Mitglied der Stadtvertretung und Dritter Bürgermeister. Man muss sich immer bewusst sein, dass sich die Prominenz als Politiker in erster Linie nicht an der eigenen Person, sondern an dem Mandat festmacht. Und gerade weil dieses zeitlich begrenzt ist, sollte man sich darauf nicht zu viel einbilden.

Sie werden am 25. Oktober den Bad Herrenalber Akademiepreis erhalten: Was bedeutet Ihnen dieser Preis?

Ich habe mich einfach sehr gefreut. Die von meinem Team und mir seit Langem bearbeiteten Themen stoßen mittlerweile auf ein immer größeres öffentliches Interesse. Das Preisgeld werde ich den Journalisten von netzpolitik.org spenden, die eine sehr wichtige Arbeit leisten.

Sie erhalten den Preis für Ihren Vortrag über die "Totalüberwachung und das Ausspionieren von Bürgern, Wirtschaft und öffentlichen Institutionen". Wer ist hier eigentlich Angeklagter und wer Ankläger, denn handelt es sich dabei nicht um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, angefangen beim Smartphone-Video bis zu Google Earth und der NSA?

Ich sehe mich nicht in der Rolle eines Anklägers. In meinem Vortrag habe ich auf eine Entwicklung aufmerksam gemacht, die in der Tat von der Ausforschung aus ökonomischen Gründen durch Unternehmen bis zur staatlichen Überwachung reicht und mehr und mehr totalitäre Züge trägt. Heute kann man beide Bereiche, den staatlichen und den privaten, nicht mehr klar trennen. Unsere Aufklärung im Untersuchungsausschuss zeigt deutlich, wie eng unternehmerische und geheimdienstliche Überwachung heute Hand in Hand gehen. Wollen wir unsere Freiheit und Rechtsstaatlichkeit bewahren, müssen wir uns dieser Entwicklung entschieden entgegenstellen. Tun wir dies nicht, sind der gläserne Konsument und die Auflösung unserer Privat- und Intimsphäre bald Realität.

Wie sollte man Ihrer Ansicht nach mit sogenannten Whistleblowern wie Edward Snowden umgehen?

In Demokratien wird es immer wieder Menschen geben, die auf Rechtsverstöße und demokratische Fehlentwicklungen aufmerksam machen und dadurch einen öffentlichen Diskurs ermöglichen. Wer dies tut, verstößt manchmal auch gegen Verschwiegenheitspflichten und sieht sich immer wieder staatlichen Repressionen ausgesetzt. Weil das so ist, hat auch die Bundesregierung immer wieder versprochen, den gesetzlichen Schutz von Whistlerblowern auszubauen. Passiert ist bis heute nichts. Aber: Gravierende Grundrechtseingriffe und rechtswidriges Verhalten, ob nun von Staaten oder Unternehmen, dürfen in Rechtsstaaten nicht unter dem Deckmantel des Geheimen unter den Teppich gekehrt werden.

Zum Flüchtlingsproblem: Hunderttausende wollen nach Europa, doch nicht alle flüchten vor Krieg oder politischer Verfolgung: Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz?

Ein Einwanderungsgesetz hat zunächst nur bedingt mit der Frage zu tun, wie wir mit den vielen Menschen umgehen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, zu uns kommen und ihr Recht auf Asyl wahrnehmen. Zweifellos stellen uns die zahllosen Konflikte in dieser Welt und die daraus resultierenden Fluchtbewegungen derzeit vor extreme Herausforderungen. Wir müssen uns dieser Herausforderung gemeinsam und solidarisch stellen. Ein Einwanderungsgesetz bietet uns darüber hinaus die Chance, legale Wege der Einwanderung zu schaffen, auch, um beispielsweise auf den Fachkräftemangel zu reagieren. Die Verweigerungshaltung der Union gegen ein solches Gesetz ist unsinnig und schadet Deutschland.

Am Mittwoch ging es im Bundestag um das dritte Hilfspaket für Griechenland: Wie haben Sie abgestimmt?

Ich habe am Mittwoch in dieser für die Zukunft Europas zentralen Frage mit "Ja" gestimmt. Ohne ein drittes Hilfspaket müsste Griechenland den Euro aller Voraussicht nach verlassen. Dies hätte nicht nur unabsehbare negative Folgen für das Land selbst, sondern auch für die Zukunft Europas und gerade auch für Deutschland. Ich bedaure, dass man sich noch nicht für einen konkreten Schuldenschnitt und ein Investitionsprogramm für Griechenland entscheiden konnte. Beides wird in den nächsten Jahren unausweichlich kommen müssen.

Letzte, nicht ganz ernst gemeinte Frage: Mit welchem der beiden anderen Abgeordneten sitzen Sie am liebsten im Zug nach Berlin?

Ich habe ein gutes Verhältnis zu Nina Scheer und Norbert Brackmann. Beide sind sehr engagierte Kollegen. Die Frage ist nicht, mit wem ich lieber Zug fahre, sondern das Problem ist der "großkoalitionäre Zug", in dem das ganze Land sitzt. Diese 80-Prozent-Mehrheit tut Deutschland und der Politik nicht gut, und deswegen werde ich dafür streiten, dass ab 2017 Grüne mitregieren. Und auch dann werde ich immer noch gern mit Norbert und Nina Zug fahren - und hart, engagiert und kollegial politisch diskutieren.