Von Stefanie Bisping

Cesenatico.
Drei Frauen sitzen in der kalten Auktionshalle. Und 30 Männer. Die Wände zieren historische Segler von Cesenaticos alteingesessenen Fischerfamilien. Ein Schriftband über dem Stand des Auktionators, in dem Gabriele Teodorani den Fang der Nacht versteigert, zeigt den Namen des Fisches und den Preis pro Kilo an. Während die Ware über ein Transportband läuft, sinkt der Preis in Cent-Schritten - je nachdem, ob Tintenfische, Seebarben oder Garnelen in den Stiegen liegen.

Wer zögert, verliert die Ware an einen anderen Händler oder Küchenchef. Blitzschnell und unter einigem Geschrei ist jede Kiste verkauft. Der Computer weiß, wer bei der Bank keinen Kredit mehr hat. Die rote Lampe, die den Verkauf signalisiert, leuchtet beim Knopfdruck des Einkäufers gar nicht erst auf, wenn der mit Zahlungen im Rückstand ist.

Seit 30 Jahren verkauft Gabriele Teodorani im Mercato Ittico den Fang von Cesenaticos Fischern. Zwischen 700 und 800 Kisten rollen täglich übers Band. Trotz dieser ansehnlichen Menge hat sich die Fischerei an der nördlichen Adria stark verändert. "In meiner Kindheit lebten 700 Fischer in Cesenatico, heute sind es noch 70", sagt Gabriele Teodorani.

Auch Paolo Polini hat jahrzehntelang so sein Geld verdient, ist morgens um drei oder vier Uhr hinausgefahren und war mittags wieder im Hafen. "Heute fahren die Jungs schon abends um 18 Uhr", sagt Polini, der deshalb vor acht Jahren die Konzession für eine Miesmuschelzucht übernommen hat. In Cesenatico ist Polini jedoch nicht nur als Fischer bekannt - sondern auch als Sänger: Zu seinem 40. Geburtstag schenkte Ehefrau Lily dem Fischer, der sonst immer nur an Bord gesungen hatte, einen Gesangskursus. Zwei Jahre später trat er auf der Freiluftbühne von Cesenatico auf, und im Januar überzeugte der Bariton auch die Gäste des Schwarzenbeker Neujahrsempfangs von seinen stimmlichen Qualitäten. Beim Verbrüderungsfest gehört der 54-Jährige zur italienischen Delegation und wird beim Stadtvergnügen (28. bis 30. August) auf der Bühne stehen.

Zurück in Cesenatico: Obwohl über den Po Schadstoffe in die Adria fließen, sei die Wasserqualität gut, sagt Polini: "Das Wasser ist hier so sauber, dass wir die Muscheln direkt essen können." Anderswo müsse man sie vor dem Verzehr 24 Stunden wässern.

Den Muschelbauern bereiten andere Dinge Sorgen, vor allem die Gasförderplattformen, die jeden Tag mit mehreren Millionen Kubikmeter Meerwasser ihre Aggregate kühlen und als destilliertes Wasser ins Meer zurückleiten. "Die machen unser Meer kaputt", sagt Polini: Muschelfarmen hingegen seien die "Lungen des Meeres", weil jede Muschel Wasser filtere.

Die Reisejournalistin Stefanie Bisping schreibt seit 1997 für Tageszeitungen und Magazine und hat diverse Bücher veröffentlicht. In diesem Jahr wurde sie mit dem deutsch-italienischen Journalistenpreis "Cinque Stelle al Giornalismo" (Fünf Sterne des Journalismus) ausgezeichnet. Bisping lebt im niederrheinischen Willich.