Wotersen
. Und wieder ein Highlight beim Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF): Ragna Schirmer gastierte mit "Händel on Hammond" in der nicht ganz ausverkauften Reithalle auf Gut Wotersen. Zwar bewirbt das Festival die Künstlerin mit dem Echo-Preis, den sie 2013 für ihre Händel-CD erhalten hat. Doch kaum ein Zuhörer wusste, dass er auf der Bühne eine erfolgreiche Vollblutpianistin erlebt, die zweimal (1992 und 1998) den Bach-Wettbewerb in Leipzig gewonnen hat. Ein Erfolg, der in der Wettbewerbsgeschichte bisher einmalig ist.

Die Klassik ist ihr Zuhause, und auch diesen Abend eröffnete sie mit einer tadellosen Interpretation der Klavier-Suite Nr. 7 g-Moll von Georg Friedrich Händel: klassisch, solo, auf dem Steinway-Flügel.

Ihre brillante Technik, gepaart mit der Vorliebe zur Barockmusik, wurde der begnadeten Künstlerin stellenweise nahezu zum Verhängnis. Schirmer kennt keinerlei technische Probleme, kreiert jede Phrase aus dem Augenblick heraus, muss folglich fast schon auf die Bremse treten, um weiter im Barockstil zu bleiben. Im Mittelpunkt standen jedoch vier Orgelkonzerte von Händel, die dem Arrangeur Stefan Malzew allerdings nur als Basis dienten. Eine Collage nach der anderen füllte die Reithalle. Schirmer spielte auf der Hammondorgel weitgehend die Originalfassung, Peter Weniger (Saxofon), Gerard Presencer (Trompete/Flügelhorn), Geoffroy de Masure (Posaune), Wolfgang Köhler (Piano/Keyboard), Winfried Holzenkamp (Kontrabass), Matthias Daneck (Schlagzeug) und ein Streichquartett mit Emma Yoon, Maria Meures, Inara Waiß (Violinen) und Rachel Meredith (Cello) steuerten swingende Sequenzen bei. Die Bläser pusteten dazu frei improvisierte Passagen. Ein nie zuvor gehörter Händel-Kosmos vom Feinsten.

"Händel war der Popstar seiner Zeit", sagt die Pianistin. Tatsächlich schrieb Händel seine Orgelkonzerte, um die Konzertpausen bei den "schwergängigen" Opern- und Oratorienaufführungen aufzulockern, und auch, um einen beträchtlichen Teil der Zuhörer überhaupt zum Konzertbesuch zu animieren. Die insgesamt 18 Konzerte, nach dem Vorbild der italienischen Concerti grossi komponiert, sind wahre Perlen der Barockmusik - mit schwungvollen Ecksätzen und herrlichen, teils romantisch angehauchten Adagios. Vier ausgewählte Konzerte boten Ragna Schirmer und ihre Jazzer dem SHMF-Publikum - voller Elan, Virtuosität, Swing und Spaß am Spielen. Kurzum: eine tolle Mischung aus Klassik und Jazz, von erstklassigen Interpreten mitreißend dargeboten. "Wäre er heute unter uns, würde das Händel bestimmt gut gefallen", meinte eine begeisterte Zuhörerin bereits in der Konzertpause.

Gregor Bator