Mutter-Kind-Haus: Wie sich die Bewohnerinnen mit der festlichen Zeit arrangieren

Es ist noch nicht lange her, da spielte Weihnachten für Nora G. keine große Rolle. Dieser Punkt war spätestens vor drei Jahren erreicht, als die heute 19-Jährige ihr Elternhaus verließ. Doch seit anderthalb Jahren ist Nora nicht allein, hat ein kleines Töchterchen namens Carlina. Seither besitzt das Christfest wieder einen anderen Stellenwert für die junge Mutter - auch wenn sich draußen bei Nässe und Sturm anstelle von Kälte und Schnee nicht das rechte Weihnachtsgefühl einstellen will.

Die 19-Jährige wird wie alle weiteren vier Mütter und ihre jeweiligen Kinder aus dem Mutter-Kind-Haus die Feiertage bei den Eltern verbringen. "Es ist schön, zusammen zu sein", findet Nora T. mittlerweile. "Durch meine Tochter hat Weihnachten wieder einen neuen Sinn erhalten."

Das klingt sehr harmonisch. Die Realität, das wissen Einrichtungsleiterin Britta Manzke und ihr siebenköpfiges Betreuerteam von der Hebamme bis zur Psychologin, sieht anders aus. Einen friedvollen Heiligen Abend haben die überwiegend jungen Mütter - vier sind zwischen 16 und 19 Jahre - selten erlebt. "Sie haben Wunschvorstellungen und sehen sehr schlecht ein, dass es nicht so ist", sagt Britta Manzke. Psychologin Annekatrin Bertau-Blum spricht sogar von einem "Verdrängungsprozess" schlechter Erlebnisse.

Es geht einigermaßen harmonisch in der Vorweihnachtszeit für die Bewohner der Einrichtung an der Hamburger Straße zu Sie existiert seit Januar 2013, ist kreisweit die einzige ihrer Art ist und wird vom Kreisjugendamt finanziert. Zwei Tage vor dem Fest wurde der hausinterne Baum gemeinsam geschmückt. "Das schafft ein familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl und stärkt den eigenen Antrieb", weiß Manzke. "Junge Frauen haben nur eine Chance, wenn sie zusammenhalten." Gestern gab es eine kleine Weihnachtsfeier, die übrigens von unserer Zeitung mit 521,70 Euro aus den Spendeneinnahmen der WVS-Messe bezuschusst wurde. Davon konnten etwas größere Geschenke gekauft und ein richtiger Festtagsschmaus mit Braten, Kartoffel gratin und Eis serviert werden.

Bei der gemeinsamen Zeit beginnen allerdings auch die kleineren Dissonanzen unter den Müttern. Das erklärt die 16-jährige Sari E., Mutter der ein Jahr alten Jacqueline, so: "Wir sind hier fünf Weiber auf einem Haufen. Da kommt es zu Zickereien. Insgesamt herrscht zwischen uns zur Weihnachtszeit aber schon eine schöne Stimmung."

Und genau diese Vorfreude auf Heiligabend wollen die Betreuungskräfte auch erreichen, haben gemeinsame Weihnachtsmarktbesuche oder Einkäufe initiiert. Dass zudem alle Mütter zu ihren Familien heimkehren, "ist nicht selbstverständlich", findet Psychologin Bertau-Blum. "Das ist ja eines unserer Ziele, die Familienanbindung und den Kontakt zu Eltern und Großeltern zu verstärken."

Nora G. jedenfalls freut sich insbesondere auf die weiteren Feste mit der kleinen Carlina und das künftige gemeinsame Plätzchenbacken. Und stimmt dennoch zum Schluss nachdenkliche Töne an: "Ich finde es traurig, dass Weihnachten auf Geschenke reduziert wird."