Stoma: Günther Lentzer will Betroffenen Mut machen und Krankheit enttabuisieren

"Natürlich haben die Leute geschaut, als wir damit in die Sauna gekommen sind", sagt Irene Lentzer und zeigt auf den "Beutel", der am Bauch ihres Mannes hängt. Seit eineinhalb Jahren ist Günter Lentzer Stoma-Träger: In der Uniklinik Lübeck wurde ihm im Februar 2013 ein künstlicher Darmausgang gelegt. 40 Jahre litt der Brunstorfer unter Colitis ulcerosa, einer entzündlichen Darmerkrankung. Dann kam auch noch Rectum-Krebs hinzu. Dem 60-Jährigen wurden der komplette Schließmuskel sowie der Dickdarm entfernt. Mit Lentzer, der gerne eine Selbsthilfegruppe für Stoma-Träger gründen möchte, sprach Redakteur Marcus Jürgensen.

Herr Lentzer, Sie sehen gut aus. Geht es Ihnen auch gut?

Ich bin zu 50 Prozent schwerbehindert, aber ich habe durch die OP viel mehr Lebensqualität gewonnen als vorher. Durch das Stoma bin ich viel befreiter, kann viel mehr machen. Letzt waren wir in Sankt Peter-Ording und sind den Strand hoch und runter gelaufen. Früher beschränkte sich mein Radius auf die zehn Meter rund ums Toilettenhäuschen.

Wie lebt es sich mit einem Stoma?

Wir Stoma-Träger sagen: Lieber mit Stoma als im Koma (lacht). Ich gehe schwimmen, trage dann einen speziellen Neoprengurt und zwei Mal die Woche ins Fitnessstudio. Nur Bauchmuskeltraining darf ich nicht machen. Der künstliche Darmausgang ist wie ein Bruch: Es könnte sein, dass der Darm rauskommt, wenn ich mich anstrenge. Dann wäre eine weitere OP fällig.

Wie muss ich mir ein Stoma vorstellen?

Der Dünndarm endet in einem etwa 25 Millimeter großen Loch an der Bauchdecke. Der Beutel wird einfach darüber geklebt. Es ist wie ein großes Pflaster.

Wie oft müssen Sie den Beutel wechseln?

Es gibt ein- und zweiteilige Systeme. Ich habe mich für ein einteiliges entschieden, das ich täglich wechsele. Am Beutelende selbst ist eine Öffnung, über die ich den Inhalt etwa vier bis fünf Mal täglich entleere - ins Klo, wie andere Menschen auch. Anschließend wird die Öffnung gesäubert und der Beutel wieder verschlossen. Nach dem Wechseln kommt er in eine Tüte und wird über den Hausmüll entsorgt.

Müssen Sie auf ihre Ernährung achten?

Die Aufnahme der Nährstoffe erfolgt im Dünndarm, ich muss jetzt also nicht mehr essen. Im Gegenteil: Ich habe sogar zugenommen, seitdem ich das Stoma habe.

Und was ist mit Blähungen? Wird der Beutel dann zum Ballon?

(Lacht) Andere Menschen können zaubern: Die machen, dass Luft stinkt ... Der Beutel kann sich aufblähen, er hat aber einen Filter, durch den die Luft entweichen kann - geruchlos. Klar muss man mit Hülsenfrüchten aufpassen, wenn man was mit dem Darm hat. Aber ich kann jetzt sogar Kohlrouladen essen.

Kennen Sie noch andere Stoma-Träger?

Nein, doch die wird es hier sicherlich geben. Ich bin im Internet Mitglied der facebook-Gruppe "*Beuteltier* Stomaträger" und gerade die haben mir sehr geholfen. Nach der Operation hatte ich keine Ansprechpartner, musste mir alles darüber, wie man mit einem Stoma lebt, selber raussuchen. Es wäre schön, sich mit anderen austauschen zu können. Ein Treffen ist am 13. September in Bergedorf geplant. Wer Interesse hat, kann mich gerne per Email unter g.lentzer@aol.de kontaktieren.